Innen & Außen - von Redaktion

Weniger ist mehr

Kostengünstigen Wohnungsbau energieeffizient realisieren

München – Knapper Wohnraum in Ballungszentren setzt die Wohnungswirtschaft unter Druck: Bezahlbare Mietpreise sollen nicht zulasten von Energieeffizienz und Qualität gehen. Deshalb hat das Architekturbüro schneider+schumacher gemeinsam mit der Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding einen standardisierten Wohnbautypus entwickelt, der erstmals im Frankfurter Stadtteil Oberrad realisiert wird.

Die Architekten setzten zwei parallele, volumenoptimierte Wohnriegel mit Satteldach in die Mainauen. Das Verhältnis von Gebäudehülle zum umbauten Raum ist energetisch günstig und ein erster entwurfstechnischer Schritt in ein Niedrigenergiekonzept. Auch anderweitig haben die Architekten das Gebäude energetisch „komprimiert“: In dem Modellkonzept verzichteten sie auf einen Keller und setzten die gesamte Gebäudeerschließung mit Treppenhäusern vor die Fassade. Dadurch reduzierten sie das beheizte Gebäudevolumen auf die bewohnten Flächen. Das ist auch gestalterisch ein Gewinn, denn der stete Wechsel zwischen Treppenläufen und den dazwischen gesetzten Balkonen rhythmisiert die Fassade und nimmt ihr die Monotonie der Länge. Für einen barrierefreien Ausbau ist es jederzeit möglich, den Treppenläufen nachträglich eine Liftanlage beizustellen.

Modulares Prinzip für Kosteneffizienz
Den Wohnungen sind einfache Konstruktionsprinzipien zu Grunde gelegt – reduzierte, kurze Technikleitungen, eine optimierte Haustechnik, ein systematischer Aufbau und sich wiederholende Bauelemente. Je zwei Wohnungen sind zu einer modularen Einheit zusammengeschlossen und sind über die außenliegende Treppe zugänglich. Beidseitig der Treppen sitzen geräumige Balkone. Man tritt ein und steht im Wohnzimmer oder der Küche mit Esstisch. Energiefresser wie Eingangsdiele oder Erschließungskorridore sucht man vergeblich. Solche einfachen Grundrisse sind eine mögliche Antwort auf steigende Mietkosten.
Die Spiegelung des Wohnungsgrundrisses ermöglicht eine Konzentration der haustechnischen Versorgung. Die Wohnungen sind in einem Vier-Raum-System angelegt, das eine flexible Wohnungsgröße ermöglicht, indem jeweils ein Raum aus der benachbarten Wohnung hinzugeschaltet oder abgetrennt werden kann – somit entstehen also Zwei-, Drei- oder Vier-Zimmerwohnungen. Das Untergeschoss dient als Tiefgarage und erlöst die Mieter somit von langwierigen Parkplatzsuchen.

Ziegelmauerwerk für erhöhte Energieeffizienz
In der Statik finden wir die konsequente Optimierung aller Bauteile. Die Lastabtragung des Gebäudes findet über seitlich der Wohnungsmodule gesetzte, querlaufende Stahlbetonschotten und längslaufende Stahlbetondecken statt. Die Wohnungswände selbst sind variabel konzipiert und in Trocken­bauweise ausgeführt. Die Außenfassade ist aller statischen Funktionen enthoben. Sie ist ganz der energetischen Optimierung der Gebäudehülle zugeordnet.
Mit einem Mauerwerk aus Ziegeln setzten Wohnungsbaugesellschaft und Architekten auf ein langlebiges, nachhaltiges Material – anstelle eines Wärmedämmverbundsystems. Hierbei entschied sich die ABG Frankfurt Holding für den wärmedämmenden Hochlochziegel „Unipor W07 Coriso“. Dieser Baustoff kombiniert modernste Ziegel mit den Eigenschaften einer natürlich mineralischen Füllung. Die Ziegelgattung verbessert konsequent alle Bereiche des Mauerwerkbaus und erfüllt alle Anforderungen an gesundes, zukunftssicheres Bauen.
Die hochwärmedämmenden Mauerziegel (Stärke: 36,5 Zentimeter) wurden im Dünnbettmörtel versetzt und außen mit einem mineralischen Putz versehen. Gleichzeitig passten die Architekten ihre Planung exakt auf das Format des Steins an. Alle Mauerwerksabschnitte sind so angelegt, dass man den Ziegel nicht schneiden muss und keine Sonderteile benötigt. So kann der wärmegedämmte Hochlochziegel seine energetischen Qualitäten voll umsetzen. In Summe erreichen die Architekten auf diese Weise mit einem monolithischen Wandaufbau einen U-Wert der Außenwand von 0,18 W/(m2K).

Energetische Versorgung nach Plan
Flankierend dazu wurde eine Wärmerückgewinnung realisiert, die für Heizung und Warmwasser nutzbar ist. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach deckt einen Großteil des benötigten Stroms ab, eine Frischwasserstation ermöglicht niedrige Systemtemperaturen. Die technische Gebäudeausstattung in den 46 Wohnungen ist auf das Notwendige reduziert und wird über zentrale Schächte kosteneffizient in den Wohnungen verteilt. Trotz der luftdichten Hülle, der Wärmerückgewinnung sowie Fenstern mit hochwertiger Dreifach-Verglasung verließen Bauherr und Architekten bei diesem Modellprojekt das Grundkonzept eines Passivhauses. Stattdessen realisierten sie ein KfW-Effizienzhaus 55. Die gesamte energetische Versorgung fußt auf dem eigens für das Projekt entwickelten „Frankfurter Klimaschutzhaus“.

Zu Gunsten geringerer Baukosten werden in Sachen Komfort und Energieeffizienz nicht ganz die Werte eines Passivhauses erreicht, doch die Zielsetzung war auch eine andere: Hoher Wohnkomfort sowie gute energetische Werte bei einem Quadratmeterpreis unter zehn Euro.
Damit liegt der Mietpreis rund ein Drittel unter den üblichen Preisen auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt. Die zukünftigen Mieter können sich ab April 2018 also über energieeffizienten und kostengünstigen Wohnraum im Herzen von Frankfurt freuen.

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: Februar 2018 | Seite 34

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