Verdichtung - von

Von der Idee bis zur Baustelle

Entwicklung des neuen Bedienkonzepts Easy Drive von Hamm

Tirschenreuth – Moderne Baumaschinen sind High-Tech-Geräte, deren Maschinentechnik so viele Funktionen ermöglicht wie nie zuvor. Ob diese aber von den Fahrern akzeptiert und mit allen Features genutzt werden, hängt entscheidend von der Qualität der Benutzerschnittstelle ab. Deshalb suchen die Kunden Maschinen, die viele Funktionen bieten, aber trotzdem einfach und sicher zu bedienen sind – am besten ohne Schulung und zeitintensive Einweisungen. Hamm ist dieser Spagat mit dem neuen Bedienkonzept „Easy Drive“ gelungen. Dazu hat der deutsche Walzenhersteller die komplexe Thematik in einem langfristig angelegten, wissenschaftlich begleiteten Projekt unter die Lupe genommen. Daraus entstand in einem interdisziplinären Team ein Meilenstein im Bereich der Maschinenbedienung.

Die Fahrerstände heutiger Baumaschinen sind voller Schalter, Displays und Knöpfe. Leider sind viele Funktionen den Nutzern nicht bekannt, denn die Bedienung ist kompliziert oder die Fahrer wissen nicht, wie die Einstellungen vorzunehmen sind. Dazu kommen mühsame Suchen in den Tiefen der Bedienmenüs, um ein spezielles Merkmal einzustellen. All das empfinden die Bediener oft als Stress.
Weil die Nutzer ihre Baumaschinen nicht mehr intuitiv und vollständig erfassen, werden sie selbst zum begrenzenden Faktor bei der Steigerung der technischen und funktionalen Möglichkeiten. Hier verbirgt sich ein großes Potenzial; das hat der Walzenhersteller Hamm schon vor vielen Jahren verstanden. Dort weiß man: Die intuitive Bedienung trägt wesentlich bei zur Leistungsfähigkeit mobiler Arbeitsmaschinen. Und darum ist die Optimierung der Maschinenbedienung ein Thema, das Hamm sehr ernst nimmt.
Jüngstes Ergebnis dieser Arbeit ist das Bedienkonzept Easy Drive. Es ist seit Kurzem auf dem Markt in den brandneuen Tandemwalzen der Serie DV+. Seine Qualität wurde schon von berufener Stelle gelobt, denn sowohl das Bedienkonzept an sich als auch die gesamte Walzen-Baureihe DV+ bekamen Anfang 2015 den iF design award 2015 für erstklassiges Produktdesign verliehen.

Die DV+ ist eine intelligente Maschine, die anspruchsvolle Verdichtungsaufgaben höchst präzise löst. Entsprechend komplex sind die Einstell-Möglichkeiten. Um die Bedienung trotzdem sehr einfach und klar zu halten, erarbeitete Hamm in einem auf vier Jahre angelegten Projekt ein neues Bedienkonzept. Dabei orientierten sich die Entwickler vor allem an den folgenden Zielen:
• Minimale Lern- und Einarbeitungszeiten
• Übersichtliche Bedienpanels
• Intuitiv gestaltete Bedienung
• Eine Bedienphilosophie für alle Walzen.
Um diese Ziele zu verwirklichen, hat Hamm nicht nur Konstruk­tion, Vertrieb, Produktmanagement, Service, Produktion, Marketing, Controlling und den Einkauf in den Entwicklungsprozess integriert, sondern auch externe Spezialisten für Arbeitsmethodik, Ergonomie und Design eingebunden.
Den Projektbeginn markierten Gespräche mit Nutzern. „Wir haben Maschinenfahrer und -besitzer befragt, wie sie sich die ideale Bedienung vorstellen, was ihnen wichtig ist und was gegenüber bestehenden Maschinen verbessert werden könnte“, erinnert sich Dipl.-Ing. Gerhard Mahler.

Parallel stieg Hamm in wissenschaftliche Untersuchungen ein. Zusammen mit Spezialisten vom Labor für Landtechnik und mobile Arbeitsmaschinen der FH Osnabrück definierte das Team abstrakt die Anforderungen an die Bedienung. Im Fokus standen dabei einerseits der grundsätzliche Arbeitsprozess und andererseits die maschinenübergreifende Bedienstrukturen. Als Ergebnis formulierte das Team eine geeignete Bediensys­tematik.

Für die tatsächliche Anordnung der Elemente in den Hamm-Walzen nahm das Team daraufhin die Fahr- und Arbeitsfunktionen der Walzenzüge, Tandemwalzen und Gummiradwalzen unter die Lupe. Das führte zu einem maschinenübergreifenden Bedienkonzept mit intuitiver Anordnung der Bedien­elemente, welches sich an spezifische Belange künftiger Maschinengattungen anpassen lässt. Die hochgradig anwendungsorientierte Einteilung entlastet die Fahrer enorm. Dr. Axel Römer, Leiter der Entwicklung bei Hamm, weiß, wie wichtig das ist: „Wir haben das Bedienkonzept so gestaltet, dass die Fahrer lange ihre Konzentration aufrecht erhalten können und weniger schnell ermüden – ein starker Vorteil für die Hamm-Walzen.“

Sobald die Strukturen definiert waren, wurde es konkret und der Fahrerstand nahm erstmals Gestalt an. Gemeinsam mit den Spezialisten für Ergonomie von der Human Solutions GmbH wurden Abmessungen, Reichweiten und Aktionsräume auf Basis umfangreicher Untersuchungen definiert. So stellten die Ergonomie-Profis sicher, dass die Bedienung von kleinen, zierlichen Personen als ebenso angenehm empfunden wird wie von großen, kräftigen Menschen. Daraus ergaben sich Größen, Positionen und Verstellbereiche für Sitze, Armlehnen, Lenkrad, Bedienkonsole, Spiegel und andere Teile. Dabei kristallisierte sich auch heraus, wo welche Knöpfe und Schalter angeordnet werden sollten und es entstanden erste Modelle des Joysticks, dem zentralen Bedienelement.

Auch für das Elektronik-Design holte Hamm Spezialisten ins Boot. Sie entwarfen zusammen mit den Hamm-Entwicklern eine spezielle Elektronik-Architektur mit geeigneter Topologie und einer effizien­ten Anbindung aller Funktionen an den CAN-Bus. Hier flossen die Erfahrungen von Hamm rund um die Arbeitsabläufe beim Verdichtungsprozess und die Abschätzung künftiger Funktionalitäten ein. Diese Informationen wurden systematisch gesammelt, strukturiert und priorisiert. Daraus ergab sich ein stark am Prozess orientierter Aufbau, in den auch künftige Maschinenfunktionen integriert werden können.

Im neuen Bedienkonzept werden deshalb Funktionen, die in allen Walzen benötigt werden, von identischen Elektronik-Baugruppen abgedeckt. Sie werden physikalisch so positioniert, dass sie im „Fall der Fälle“ schnell ausgetauscht werden können. Weil sie als Basiselement außerdem in großer Stückzahl gebaut werden, sind sie zudem schnell verfügbar. Nicht zuletzt wurde eine Schnittstelle zur schnellen Diagnose gut zugänglich in der Armlehne positioniert.

Last, but not least hat Hamm auch die erfahrenen Produktdesigner der Dialogform GmbH in den Prozess integriert. Mit ihnen arbeitet Hamm schon lange erfolgreich zusammen. Bester Beweis sind die mittlerweile 27 Designpreise, die das Unternehmen bis Anfang 2015 erhalten hat.
Die Designer haben neben der Optimierung von Funktion, Form und Ergonomie auch darauf geachtet, dass die markentypische Form gewahrt ist und jeder sofort erkennt: „Das ist ein Hamm-Produkt“.

von

Erschienen in Ausgabe: August 2015 | Seite 27

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