von Gastautor

Vergabe von Aufträgen für Schlitzohren

Kreativer Umgang mit EU-Regeln

Berlin - Manchmal reibt man sich beim Zeitunglesen die Augen: Da schaffen die Berliner Verkehrsbetriebe 80 U-Bahn Wagen für über 100 Millionen Euro an, die Bundeswehr beauftragt den Bau von vier Korvetten durch einfache Bestellung bei der Werft, die auch früher schon einmal den gleichen Typ gebaut hatte. Immerhin, es gab in beiden Fällen Nachprüfungsverfahren dagegen, aber die Antragsteller zogen sich schließlich zurück. Der Weg zum Direktkauf war frei. Ein Husarenstück?

Wer sich vergaberechtlich absichern will, gibt seine Absicht, ohne Ausschreibung vergeben zu wollen, im Amtsblatt der EU bekannt. Meldet sich dann zehn Tage lang kein potentieller Bieter mit einem Nachprüfungsantrag, ist der Weg zur Auftragserteilung frei, denn wegen § 135 Abs. 1 Nr. 3 GWB ist auch ein materiell rechtswidriger Vertragsschluss nach Ablauf der zehntägigen Wartefrist wirksam. 1.100 mal wurden 2017 solche Vorab-Bekanntmachungen aus Deutschland veröffentlicht, insgesamt 41.000 mal im Bereich der gesamten EU. Voraussetzung dafür ist aber eigentlich, dass der Auftraggeber glaubt, er müsse tatsächlich nicht EU-weit ausschreiben.

Die Formulierung von Gesetz und EU-Richtlinie lässt aber auch Schlitzohren zum Ziel kommen. BVG und Bundeswehr haben gezeigt, dass selbst große öffentliche Auftraggeber schlitzohrig handeln können. Ob dieser Trick allerdings zur Nachahmung etwa im Bauwesen in Zeiten knapper Kapazitäten geeignet ist, darf am Ende doch bezweifelt werden.

Prof. Dr. Ralf Leinemann ist Partner bei Leinemann und Partner Rechtsanwälte in Berlin und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwalt für Vergaberecht.

von Gastautor

Erschienen in Ausgabe: Dezember 2018| Seite 7

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