von Redaktion
So profitiert der Unternehmer von BIM
Praxis-Tipp zum Baurecht bei öffentlichen Ausschreibungen vom Experten Dr. Sigurd König
DBU/Berlin – Wie sind die derzeitig geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen von Nebenangeboten für digitale Baustellen? Baurechtsexperte Dr. Sigurd König informiert Bauunternehmer, die von Vorteilen und Möglichkeiten profitieren möchten, bevor die öffentliche Hand ihre Ausschreibungen von sich komplett auf BIM umstellt.
Zielvorstellung einer digitalen Baustelle
Die Vorteile der Digitalisierung der Baustelle liegen auf der Hand. Zielvorstellung ist, einen Planungs- und Bauablauf „aus einem Guss“ zugrunde zu legen, welcher dazu zwingt, die Zielkonflikte schon im Vorfeld planerisch digital zu erfassen und zu lösen und deshalb alle Beteiligten vor späteren Überraschungen, insbesondere Kostensteigerungen, schützen soll. Dazu gehören zum einen eine Ausschreibung, bei der statt Plänen bereits ein digitales Modell der Baustelle in 3D vorliegt wie auch eine Erfassung des Bauzustands vor der Baumaßnahme als 3D-Modell. Sodann eine Ausführung unter Umsetzung des digitalen Modells in die Wirklichkeit – beispielsweise auch mithilfe von GPS-Gerätesteuerungen. Sodann als 3. Phase die Abrechnung des digitalen Modells, also: Ableitung des Aufmaßes aus dem realisierten, umgesetzten digitalen 3D-Modell. Schließlich gehört dazu die Dokumentation des neu geschaffenen Ist-Zustands für künftige Revisionen und Baumaßnahmen.
BIM im heute geltenden Baurecht – eine Bestandsaufnahme
1. Ausschreibung mit BIM: Die Umsetzung einer Baumaßnahme als BIM-Projekt liegt zunächst in der Hand des Auftraggebers. Er muss zunächst Planer finden, die ein BIM-Projekt planen, er kann dann die Maßnahme als BIM-Baumaßnahme ausschreiben. Die öffentlichen Auftraggeber machen von dieser Möglich keit bisher aber nur zögernd Gebrauch.
2. Ausschreibung ohne BIM: Die Frage ist, was der technisch versierte, auf die Zukunft bereits vorbereitete „digitalisierte“ Bau- unternehmer tun kann, wenn eine Ausschreibung nicht als BIM-Baustelle erfolgt. Kann er trotzdem Elemente des BIM, also die Erstellung eines 3D-Bestandsmodells, die Erstellung eines 3D-Planmodells, die Umsetzung der Baumaßnahme anhand dieser 3D-Vorgaben und - vor allem - die Abrechnung und Aufmaßnahme unter Nutzung des 3D-Modells einsetzen? Insbesondere: Muss der Auftraggeber ein digitales Aufmaß (auf Basis des 3D-Modells) akzeptieren?
Dazu ist ein Blick in die Rechtsgrundlagen notwendig: Nach § 2 Abs. 2 VOB/B wird die Vergütung nach den vertraglichen Einheitspreisen und „den tatsächlich ausgeführten Leistungen“ berechnet, wenn keine andere Berechnungsart (…) vereinbart ist.
In § 14 Abs. 1 VOB/B wird zunächst definiert, dass zu einer prüfbaren Abrechnung die erforderlichen Nachweise zu Art und Umfang der Leistung gehören, zitiert werden „Mengenberechnungen, Zeichnungen und Belege“. In § 14 Abs. 2 VOB/B wird dann auf die technischen Vertragsbedingungen verwiesen, also auf die VOB/C. Der erste Blick in die VOB/C, in DIN 18299, Abschnitt 5, ermutigt zu kreativen Gedanken.
Es heißt dort: „Die Leistung ist aus Zeichnungen zu ermitteln, soweit die ausgeführte Leistung diesen Zeichnungen entspricht. Sind solche Zeichnungen nicht vorhanden, ist die Leistung aufzumessen.“ Dies scheint dafür zu sprechen, dass in erster Linie nach Planungsgrundlagen abzurechnen wäre.
Man müsste – so der Gedanke – nur noch die (2D-)Zeichnung durch ein 3D-Modell ersetzen, dann hätte man eine rechtliche Grundlage zumindest dafür, dass der Unternehmer sein Gewerk nach einem von ihm selbst erstellten 3D-Modell planen, ausführen und auch abrechnen kann.
Der Blick in die Rechtsprechung ist jedoch ernüchternd. Obwohl der Wortlaut nahezulegen scheint, dass die Abrechnung nach Plan die Regel und das örtliche Aufmaß nur die Ausnahme ist, geht die herrschende Praxis in der Rechtsprechung und Literatur genau vom Gegenteil aus. Aus dem Zusammenspiel zwischen DIN 18299 und den Vorgaben für die Aufmaßnahme in den einzelnen ATV (DIN 18300 ff.) wird nämlich geschlossen, dass die örtliche Aufmaßnahme doch die Regel ist. Beispielhaft kommt dies zum Ausdruck im Urteil des OLG Köln vom 16.07.1993 (BauR 1994, 114, zu Zimmermannsarbeiten nach DIN 18338): „Aus den in der DIN ausgeführten nachfolgenden Bestimmungen zur Abrechnung wird deutlich, dass das Aufmaß der Feststellung der tatsächlich ausgeführten Leistungen zu dienen bestimmt ist, also in der Örtlichkeit, nicht aber lediglich anhand von Plänen stattfindet.“ Als Beleg für diese Rechtsprechung wird im Tiefbau darauf verwiesen, dass in der DIN 18300 für den Aushub von der Mengenermittlung „im Abtrag“ und für den Einbau von der Mengen-Ermittlung „im Auftrag“ die Rede ist:
Deshalb ist nach heute herrschender Rechtsprechung ein Aufmaß „in der Örtlichkeit“ grundsätzlich unentbehrlich – falls es die Vertragsparteien nicht anders vereinbaren. Auf die Frage, ob man argumentativ als Aufmaßgrundlage das 3D-Digitalmodell anstelle einer 2D-Zeichnung setzen kann, kommt es deshalb gar nicht mehr an.
Handlungsmöglichkeiten des innovativen Unternehmers
Dieses Zwischenergebnis sollte einen innovativen Unternehmer jedoch nicht verzweifeln lassen, er hat nämlich folgende Handlungsmöglichkeiten:
1. BIM als Nebenangebot, §8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A
Nebenangebote setzen voraus, dass die Leistung inhaltlich anders angeboten wird, als sie in der Leistungsbeschreibung, die zum Gegenstand des Vergabeverfahrens gemacht worden ist, enthalten ist. Nebenangebote können eine technisch andere Lösung der Bauaufgabe beinhalten, als vom Amtsvorschlag vorgesehen; Inhalt eines Nebenangebots kann aber auch eine andere Vorgehensweise sein. Deshalb ist es vom Ansatz her möglich, über ein Nebenangebot BIM-Elemente (nämlich: Planung, Ausführung und Abrechnung auf Basis eines digitalen 3D-Modells) mit einem entsprechenden Minderpreis anzubieten. Der Bieter muss allerdings prüfen, ob die Vergabestelle (ausnahmsweise) die Stellung von Nebenangeboten in den Ausschreibungsunterlagen für unzulässig erklärt hat (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A). Dies liegt im freien Ermessen der Vergabestelle, d. h.: Der Ausschluss von Nebenangeboten bereits bei der Ausschreibung ist rechtlich nicht angreifbar. Findet sich bei den Ausschreibungsunterlagen jedoch kein Ausschluss von Nebenangeboten, so sind diese zulässig und müssen dann auch gewertet werden – falls sie gleichwertig sind.
2. nachträgliche Verhandlungen über Leistungsveränderungen
Falls die Stellung eines Nebenangebots ausgeschlossen ist oder falls die Vergabestelle das Nebenangebot nicht wertet, kann der Unternehmer als letzten „Joker“ nach Auftragserteilung in Verhandlungen mit dem Auftraggeber treten; er kann versuchen, diesen zu überzeugen, dass doch BIM-Elemente, beispielsweise ein digitales Aufmaß, nachträglich vereinbart werden. Zudem ist es dem Unternehmer unbenommen, zur Optimierung seiner Arbeitsabläufe intern mit einem 3D-Modell zu arbeiten (Little-BIM).
Fazit
Innovative Bieter, die in der Lage sind, eine digitale Baustelle zu organisieren, sind nicht gezwungen, darauf zu warten, bis die öffentliche Hand selbst nur noch digitale Baustellen ausschreibt. Er kann vielmehr über Nebenangebote Elemente der digitalen Baustelle vorschlagen und dies entsprechend bepreisen.
von Redaktion
Erschienen in Ausgabe: Seite 6| Dezember 2018