von Tizian Meieranz-Nemeth

Raus aus der Testblase und rein in den Alltag

Auf dem Branchentreffen des VDBUM zur Digitalisierung interessieren die Teilnehmer vor allem vereinheitlichte Schnittstellen und Datenschutz

DBU/Berlin – „Warum sind wir seit 15 Jahren nicht weiter?“ Diese Frage schwang durch den Raum, als VDBUM-Präsident Peter Guttenberger das zweitägige Branchentreffen zum Thema Digitalisierung eröffnete. Teile seiner Rede hatte er schon vor 15 Jahren als Zukunftsvision für die Digitalisierung der Baubranche verwendet, vieles davon war nach wie vor aktuell und einiges immer noch Zukunftsmusik. Für alle Teilnehmer war indes klar, die Zukunft liegt in der gemeinsamen Schaffung einheitlicher Standards.

Wer den Podiumsdisskusionen aufmerksam folgte, merkte schnell, dass es vor allem Insellösungen gibt, aber kaum gemeinsame Maßnahmen. Im Impulsvortrag der zweitätigen Veranstaltung bezeichnete Dr. Rainer Bareiß (Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG) deshalb die Schaffung einer Plattform für alle Maschinen als unabdingbar. „Wenn jeder Hersteller seinen eigenen Standard etabliert, dann werden wir nicht zusammenarbeiten können“, warnte Bareiß. Bareiß ist seit Kurzem als CIO für den Bereich Informationstechnologie bei Wolff & Müller verantwortlich. Zuvor war er über 22 Jahre bei Züblin. Mit Blick auf die Digitalisierung sagt er: „Wir sollten uns mehr über Inhalte und nicht über Label und Buzzwords unterhalten.“ Klartext sprachen im Anschluss Vertreter aus der Baumaschinenindustrie, von Digitaldienstleistern und aus der Forschung. Rund 40 Experten beleuchteten bei acht Podiumsdisskusionen das Thema, dass eine ganze Branche schon seit geraumer Zeit umtreibt. Dass es sich beispielsweise bei der Einführung von BIM bei großen Bauprojekten immer noch um einen wunden Punkt handelt, zeigte die Absage der Deutschen Bahn und eines weiteren großen Auftraggebers für öffentliche Bauprojekte. Beide waren eingeladen, um über den Stand der BIM-Integration aus Auftraggebersicht und zu digitalen Ausschreibungsformate zu sprechen. „Wir wollen den Status quo und das Stimmungsbild der Branche erfassen“, fasste Guttenberger den Rahmen für die Veranstaltung zusammen.

Standardisierung und Datenhoheit sind die Themen

Gefüllt wurde der Rahmen mit acht Gesprächsrunden. Zum Auftakt ging es um das Thema „Bauanwendungen der digitalen Wissenschaft und künstlichen Intelligenz“ unter der Moderation von Prof. Dr. Jan Scholten (IBAF-Institut für Baumaschinen, Antriebs- und Fördertechnik GmbH). Dr. Marcus Müller (Strabag AG) begrüßte Experten zum Thema „Steuerungs- & Innovationssysteme“. Zur „Digitalen Effizienz in der Bauwirtschaft“ befragte Prof. Manfred Helmus (Universität Wuppertal) Vertreter aus Bauindustrie und Mittelstand. Baumaschinen- und Baugerätehersteller beantworteten die Fragen von Richard Honig (Max Bögl Transport & Geräte GmbH & Co. KG) zur „Standardisierung der Telematik für Maschinen und Gerätetechnik“. Moderator Manfred Caillé sprach mit Anbaugeräteherstellern über die „Standardisierte Ansteuerung von Anbaugeräten“. Fabian Markmann (Liftcontor GmbH) interviewte „Vermieter im digitalen Bauprozess“. Wolfgang Lübberding (VDBUM-Geschäftsstellenleiter) moderierte die abschließende Runde „Herstellerunabhängige Softwarelösungen als ganzheitliche oder Teilanwendung“. Teilnehmer konnten ihre Fragen zum jeweiligen Thema per Smartphone direkt auf die Leinwand senden.

Insellösungen aus Angst vor Konkurrenz hemmen die Branche

Zwei zentrale Themen beherrschten alle acht Diskussionsrunden und auch die anschließenden Gespräche während der Pausen und beim Netzwerkabend. Beim ersten übergeifend Thema ging es um einheitliche Schnittstellen, Datenformate und Protokolle. Es könne nicht sein, dass beispielsweise jeder Baumaschinenhersteller eine eigene proprietäre Schnittstelle für Anbaugeräte entwickle, über die Nutzungsdaten gesammelt werden sollen, meinte ein Teilnehmer. Gerade Hersteller von Anbaugeräten hätten in diesem Bereich ein großes Problem, wenn jeder Insellösungen entwickle, aus Angst vor dem Mitbewerber. Vertreter der Bauindustrie mit einem gemischten Maschinen- und Anbaugerätebestand sowie Anbieter von Steuerungstechnik äußerten deshalb den Wunsch, alle relevanten Maschinendaten in einer Cloud vorzufinden. Dafür müssten die Maschinenhersteller ihre Schnittstellen öffnen und perfekt beschreiben. Das sich die Branche dieser Tatsache bewusst ist, zeigt die Bildung einer Arbeitsgruppe mit Teilnehmern unter anderem von HKS, MTS, Liebherr, Lehnhoff, OilQuick und Komatsu. Die AG hat kurzerhand definiert, wie die Pinbelegung bei der CAN-Bus-Schnittstelle beispielsweise zu erfolgen hat. Über die Schnittstelle können Maschinenbetreiber Daten der Baumaschine auslesen und verfügbar machen. Genau hier fängt Standardisierung an, war sich ein Teilnehmer sicher. Weitere Initiativen wie die Machine-Construction-Initiative - kurz MIC 4.0 - seien gerade im Entstehen.

Datenhoheit, Datensicherheit, Datenformate, Daten ohne Ende

Das zweite große Thema, dass alle Teilnehmer beschäftigte, war die Frage, wem erfasste Daten aus Projekten und von Maschinen gehören. Die Standardantwort aller Befragten: Natürlich dem Besitzer der Maschine. Ungeklärt indes blieb selbst auf Nachfrage von Der BauUnternehmer, was die Unternehmen für die Datensicherheit tun. Die meisten verlassen sich auf das Schlüssel-Schloss-Prinzip der SSL-Verschlüsselung. Auch wenn bei aktuellen Anwendungen vor allem anonymisierte Nutzungsdaten über den Äther fliegen, sind die Übertragungswege doch dazu geeignet, in die Kommunikation zwischen Maschine, Cloud und System einzudringen, Daten abzuzapfen oder durch andere Daten zu ersetzen. Ebenfalls ein Problem stellt ein fehlendes einheitliches Datenformat dar. Bislang gebe es vor allem IFC-Daten, die man aus dem Tiefbau kennt. Allerdings fehle ein einheitliches „BIM-Format“, erklärt Alexander Gerber vom Hersteller Leica. Auch bei der Frage, was mit all den gesammelten Daten passieren würde, waren sich die Gesprächspartner nicht ganz einig. Natürlich könne man den Einsatz von Maschinen überwachen und optimieren. Aber welche Schlüsse man aus der riesigen Masse an Daten noch machen könne, blieb ungeklärt.

Das Hemmniss für die Digitalisierung ist der Mensch

Geht es um die digitale Effizienz in der Bauwirtschaft, nutzen viele Auftraggeber die Expertise von Beratern. Die verwiesen immer wieder auf BIM, so Alexander Kropp von Max Bögl. Allerdings würden die meisten Auftraggeber überhaupt erst während des Bauprozesses lernen, wie BIM einzusetzen ist und welchen Nutzen es bringt. Kropp gehört zum BIM-Team und weiß aus eigener Erfahrung, dass BIM das Schlagwort schlechthin für die Branche ist. Allerdings gehe es eben auch um Digitalisierung und das sei vor allem ein kultureller Wandel, der in den Unternehmen stattfinden müsse. „Haupthürde ist der Mensch,“ sagte Uwe Wirth vom Unternehmen Praxis EDV, auf die Frage, woran die konsequente Einführung von BIM scheitern würde. Und auch Kropp sieht vielerorts die Führungskräfte mittleren und höheren Alters als hemmende Kräfte. Die TU München forscht genau zu diesem Thema. Dabei geht es vor allem darum, wie Prozesse aufgeräumt und Menschen bei der notwendigen Veränderung mitgenommen werden können.

Das es einen klaren Mehrwert von BIM für die Branche gibt, da waren sich alle Teilnehmer abschließend einig. Die liegen vor allem in einer guten Terminkontrolle, bei der Minimierung der Kosten und Risiken. Immerhin sei BIM eine Risikoabschätzung auf Grundlage von Daten. Dabei gilt es, nicht nur Software einzusetzen, sondern auch die eigenen Prozesse anzupassen.

von Tizian Meieranz-Nemeth

Erschienen in Ausgabe: Dezember 2019 / Seite 30

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