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ÖPP-Ausbau der A 61 wird doppelt so teuer wie geplant

Baugewerbe und Bundesrechnungshof kritisieren „unwirtschaftliches Projekt“ – Bauindustrie wehrt sich gegen „unhaltbare Stimmungsmache“

DBU/Berlin – Autobahnbauprojekte in Öffentlicher Privater Partnerschaft (ÖPP) sind höchst umstritten: Politisch zwischen links und rechts, in der Bauwirtschaft zwischen Straßenbaukonzernen und mittelständischen Betrieben. Neuester Zankapfel ist der Ausbau der A 61 bei Frankenthal (Rheinland-Pfalz), der sich als fast doppelt so teuer entpuppt wie geplant.

Ausgetragen wird der Clinch offen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) auf Seiten der Baukonsortien und dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) auf Seiten der „Kleinen“. Diese mittelständischen Unternehmen fühlen sich generell unter anderem durch zu große Baulose bei Ausschreibungen benachteiligt und wettern seit Jahren gegen ÖPP-Projekte, die sie als zu teuer sowie unwirtschaftlich kritisieren. Fakt ist, dass der ÖPP-Ausbau der A 61 von der baden-württembergischen Landesgrenze bis zum Kreuz Frankenthal mit 1,4 Milliarden Euro mindestens 600 Millionen teurer werden soll als eigentlich geplant. Die Summe geht aus dem Entwurf zum Haushaltsplan 2020 des Bundes hervor.

ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa holt bei seiner Kritik zum A 61-Ausbau zur Generalabrechnung mit ÖPP-Projekten im Straßenbau aus: „Erneut wird mit dem Ausbau der A 61 ein ÖPP-Projekt wesentlich teurer als geplant und keiner weiß warum. Nach der A1 und der A 8 ist das nun schon das dritte Projekt, bei dem Mehrkosten entstehen. Das bestätigt unsere Haltung: ÖPP-Projekte in der Verkehrsinfrastruktur sind ineffizient und teuer“. Der ZDB teile mit dieser Auffassung auch die Position des Bundesrechnungshofs wie auch des Europäischen Rechnungshofs. Schuld daran sei, so Pakleppa, die Verquickung der Interessen von Finanzinvestoren und großen Baukonzernen. Durch die Konzentration der Vergabe auf wenige Bieter werde der Wettbewerb ausgeschaltet; die Projekte werden niedriger kalkuliert und vergeben. Wenn dann Mehrkosten entstünden, würde versucht, diese dem öffentlichen Auftraggeber anzulasten.
Aus Sicht des ZDB wird der Wettbewerb bei ÖPP-Ausschreibungen stark eingeschränkt und die mittelständische Bauwirtschaft komplett aus diesem Marksegment verdrängt. „Dabei bauen mittelständische Unternehmen die Autobahnen kostengünstiger und zuverlässiger als Finanzinvestoren das können“, sagt Pakleppa. Mit der Gründung der Autobahn GmbH seien ÖPP-Projekte nicht mehr notwendig. Planung, Finanzierung und Bauen an internationalen Konsortien zu geben, sei obsolet geworden, so die Position des ZDB.

HDB-Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel sieht das aus Sicht der an ÖPP-Bauprokjekten beteiligter Unternehmen in Deutschland anders: „Die erneute Kritik an ÖPP aus Teilen der Opposition und des Bauhandwerks zeigt, dass nach wie vor versucht wird, mit nicht haltbaren Argumenten Stimmung gegen alternative Beschaffungsvarianten zu machen. Doch mit welcher Absicht? Sachliche Infrastrukturpolitik geht jedenfalls anders. Fakt ist, dass im Vergleich zu den vor einigen Jahren abgeschätzten Gesamtkosten aktuell höhere Kosten erwartet werden. Dies ist natürlich ärgerlich und wirkt für Großprojekte sicherlich nicht akzeptanzfördernd. Es hat aber zunächst nichts mit ÖPP zu tun,“ sagt Babiel. Eine ÖPP-Variante werde nur umgesetzt, wenn diese mindestens so wirtschaftlich sei, wie die konventionelle Variante. Babiel weiter: „Da die endgültige Entscheidung, ob die A 61 im Rahmen von ÖPP ausgebaut wird, noch aussteht, entbehren die Vorwürfe jeglicher Grundlage.“


Hierfür müssten erst die konkreten Angebote der Unternehmen aus einem noch zu startenden Vergabeverfahren abgewartet werden. Dieses Vorgehen sei seit Jahren standardisiert und auch den Kritikern bekannt. „Mir fällt es deshalb schwer zu glauben, dass es sich nicht um einen Versuch handelt, das eigene Geschäftsmodell in ein besseres Licht zu rücken. Die Bauindustrie steht hingegen für alle Beschaffungsvarianten“, so Babiel. Die Politik sei nun gefordert, die Gründe für diese Kostensteigerung offen zu kommunizieren. Gleichzeitig fordert Babiel, die Kostenermittlung künftiger Projekte belastbarer zu gestalten und auch die Kostentransparenz zu erhöhen. „Wir brauchen endlich eine einheitliche, breitere Datenbasis für Bauvorhaben der öffentlichen Hand“, betont Babiel. Hier könne auch der Bundesrechnungshof einen Beitrag leisten, indem er die Berechnungen der von ihm geprüften Projekte zur Verfügung stelle. Für den Berliner Rechtsanwalt Ralf Leinemann, der bereits einige Bauträger gegen staatliche Auftraggeber vor Gericht vertreten hat, beruht das Argument der Unwirtschaftlichkeit des Bundesrechnungshofes auf geschönten Annahmen. ÖPP-Projekte seien zudem drei Mal schneller als Ämter, die Jahrzehnte für 20 Kilometer Autobahn bräuchten, sagt der Baurechtsexperte. Leinemann plädiert für kleinere Baulose, vom Staat vergebene Projektanleihen oder Bürgeranleihen, um mittelständischen Bietern ohne Milliardenumsätze bei ÖPP-Ausschreibungen eine bessere Chance zu geben. Bislang verhindere dies der Bund, indem er Verträge einseitig zugunsten des öffentlichen Auftraggebers abfasse anstatt diese neu und ausgewogen zu gestalten.Jasch Zacharias

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Erschienen in Ausgabe: Seite 3| November 2019

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