Betonbau - von Redaktion
Neues Kreuzungsbauwerk in einer Woche passgenau eingesetzt
Leonhard Weiss verschiebt erfolgreich Bahnbrücke in Nürnberg
Satteldorf – Herausfordernde Bahnbaustellen mit engem Zeitplan sind eine Spezialität von Leonhard Weiss. Anfang März 2017 stellte das erfahrene Bauunternehmen am Rande des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit 8 (VDE8) ein Kreuzungsbauwerk für zwei Bahnstrecken fertig – direkt im Herzen von Nürnberg, wenige Meter neben fahrenden Zügen und mit einer Streckensperrung von nur einer Woche. Der Trick: Die Stahlbeton-Kreuzung wurde vor Ort vorgefertigt und dann innerhalb weniger Tage an ihren endgültigen Platz geschoben.
Mitten in Nürnberg überquert die S-Bahnlinie Richtung Ansbach an einer steilen Böschung ein sechs Kilometer langes stillgelegtes Verbindungsgleis zwischen Rangier- und Güterbahnhof. Um im Zuge des VDE8 – des Ausbaus zwischen München und Berlin – die Nürnberger Hauptstrecken vom Güterverkehr zu entlasten, will die Deutsche Bahn dieses Gleis reaktivieren.
Allerdings war die untere Durchfahrt des ursprünglichen Kreuzungsbauwerks für die Installation einer Oberleitung nicht hoch genug. Daher wurde Leonhard Weiss als Generalunternehmer mit dem Neubau der Kreuzung beauftragt – unter der Vorgabe, mit nur einer Woche Vollsperrung der Ansbacher Strecke auszukommen.
Die extrem kurze Sperrzeit erforderte eine besondere Baumethode. Eckhard Schreiner, Bereichsleiter Ingenieurbau erklärt: „Das neue Kreuzungsbauwerk wurde bereits vor der Sperrung direkt neben der Strecke errichtet. Innerhalb der Sperrzeit musste dann die alte Kreuzung abgebrochen und die fertige Stahlbetonkonstruktion an ihre Position geschoben und angeschlossen werden.“
Mit Ingenieur- und Schlüsselfertigbau, Gleisinfrastrukturbau sowie Straßen- und Netzbau hat Leonhard Weiss alle Kompetenzen für solch ein Projekt unter einem Dach. So können alle beteiligten Gewerke reibungslos ineinandergreifen, um bei derartig engen Zeitplänen parallel arbeiten zu können.
Enge Baustelle, außergewöhnliche Lösungen
Bereits die Einrichtung der Baustelle war eine Herausforderung, denn die Kreuzung liegt von allen Seiten beengt direkt neben einer der Nürnberger Hauptbahnlinien, zwischen Wohngebiet, Industriegebiet und vierspuriger Schnellstraße. Zusätzlich zur bestehenden Baustellenzufahrt wurden zwei weitere Zufahrten und zwei Lagerplätze im näheren Umkreis geschaffen.
Der einzig mögliche Platz für den Bau der Stahlbetonkonstruktion war vom Ursprungsbauwerk rund 70m entfernt. Dort wurde zunächst ein Teil der späteren Baugrube ausgehoben und ein fester Bauuntergrund mit verdichtetem Schotter und Betonplatten angefertigt. Da im Boden zahlreiche Schutzrohre mit 110.000-Volt-Kabeln, Hauptgasleitung sowie Fernwärme-, Wasser- und Kommunikationsleitungen liefen, wurde das Bauwerk in einer Höhe von 2,13 Meter über seiner eigentlichen Endlage hergestellt – eine außergewöhnliche Lösung.
„Ein Verschub ist schon nicht alltäglich, aber das Absenken eines solchen Bauwerks um mehr als zwei Meter ist absolut untypisch“, sagt Schreiner. Innerhalb von sechs Monaten entstand ein über acht Meter hohes, zwölf Meter breites und 35 Meter langes Kreuzungsbauwerk aus Stahlbeton, mit einem Gewicht von mehr als 3.200 Tonnen und extra angebauten Knaggen als Auflager für die Hydraulikpressen beim Verschub.
Nur eine Woche Zeit
Sieben Tage, 16 Stunden und 15 Minuten Sperrpause waren von der Bahn vorgesehen, bis der erste Zug um 4:30 Uhr wieder fahren sollte. Entsprechend groß war der Druck auf die Teams von Leonhard Weiss: „Wir arbeiten in zwei Schichten rund um die Uhr, alle Beteiligten sind hoch motiviert und absolut fokussiert auf ihre Arbeit“, berichtet Tim Röcker, Bauleiter Ingenieurbau.
Grob unterteilt lief die Arbeit während der Vollsperrung in sieben Schritten ab. Zunächst wurde die Oberleitung abgeschaltet, die Masten, die innerhalb der Baugrube standen, durch verschiedene Konstruktionen gesichert und die in Betrieb bleibenden Signalleitungen der Bahn über eine gesondert angefertigte Kabelbrücke geführt. Danach konnten die Gleise bis zum Rand der Baugrube entfernt werden.
Parallel zum Abbruch des alten Kreuzungsbauwerks mit fünf Baggern und einem Radlader hoben dann weitere vier Bagger 8.500 Kubikmeter Erde für die Baugrube aus. Auf dem seitlich und durch die Kabelbrücke nach oben begrenzten Raum forderte das eine sehr gute Logistik, höchste Konzentration und absolutes Können: „Jeder Maschinenführer auf dieser Baustelle muss sein Gerät vollkommen beherrschen. Deshalb haben wir unsere erfahrensten Leute eingesetzt“, erzählt Röcker.
70 Meter Verschub und 2,13 Meter Abstapeln
Vor dem Verschub musste der Boden über die gesamte Strecke mit Schotter und Beton befestigt werden. Anschließend verlegte das Team unter den Knaggen des Bauwerks auf 99 Meter Länge Verschubbahnen – zwei parallele, eingeölte Fahrrinnen aus je neun Meterr langen Stahlschienenstücken, in denen die Hydraulikpressen gleiten sollten. Im tieferen Teil der Baugrube unterfütterten Stapel die Verschubbahnen und glichen so den Höhenunterschied aus.
Je Seite setzten die Mitarbeiter acht Pressen mit einer jeweiligen Traglast von 250 Tonnen unter das Bauwerk und verschraubten sie. Um die Konstruktion anzuheben und zu verschieben, wurde Stickstoff mit einem Druck von 26 bar unter die Pressen geleitet, so dass das Bauwerk mit Hilfe weiterer, von hinten schiebender Pressen wie auf einem Luftpolster in seinen Fahrrinnen vorangleiten konnte.
Nach eineinhalb Stunden stand die neue Kreuzung schon an ihrem Platz – allerdings noch 2,13 Meter zu hoch. Das Abstapeln war dagegen ein längerer Prozess, wie der Bauleiter erzählt: „Das Bauwerk wird abwechselnd auf innenliegende und außenliegende Stapel abgesetzt. Bei jedem Umsetzen werden die lastfreien Stapel in der Höhe reduziert, so dass die Konstruktion in 12,5-Zenitmeter-Schritten nach unten rückt.“
Auf dem Boden angekommen wurde es spannend: „Der Grundriss des Bauwerks muss absolut korrekt und der Untergrund vollkommen eben sein, damit die Lage der Kreuzung stimmt“, erklärt Eckhard Schreiner. Denn über eine Höhe von acht Meter und eine Strecke von 35 Meter wirken sich schon kleine Abweichungen enorm aus – und die Gleisanschlüsse passen nicht mehr. Daher arbeitete Leonhard Weiss in jeder Phase mit einem Vermesser zusammen.
Nach dem Abstapeln liefen Tiefbau, Gleisbau und Herrichtung der Oberleitung in umgekehrter Reihenfolge ab. Bis wenige Minuten vor dem ersten Zug wurde durchgearbeitet. Abschließend kontrollierte die Bahn noch einmal die Gleislage und nahm die Oberleitung wieder in Betrieb.
Erfolg durch Zusammenarbeit
„Solch eine Leistung ist nur mit einer hervorragenden Zusammenarbeit aller Beteiligten möglich“, sagt Tim Röcker. Daher ist Leonhard Weiss mit seinen eng verzahnten Geschäftsbereichen als Generalunternehmer für derartige Projekte prädestiniert. Die hohe Kompetenz, auch solche ungewöhnlichen Bauvorhaben durchführen zu können und der Wille, gemeinsam die Herausforderungen zu stemmen, sind die Basis für diesen Erfolg.
von Redaktion
Erschienen in Ausgabe: September 2017 | Seite 33