von Redaktion
Mühle Grüsch: Zirkuläres Bauen im Alpendorf
Insgesamt 52 Wohnungen sind seit November 2025 bezugsfertig
In der Gemeinde Grüsch (Graubünden) hat das Architekturbüro Ritter Schumacher eine alte Mühle zu einem Wohnungsbau transformiert. Die insgesamt 52 Wohnungen sind seit November 2025 bezugsfertig. Das Hauptgebäude wurde dafür saniert und umgebaut. Ein 30 Meter hohe Getreideturm musste dagegen abgerissen werden, allerdings: Der Beton wurde nach einer eigens entwickelten Rezeptur neu aufbereitet und für den Wiederaufbau genutzt.
Gutgrün AG erwarb Areal mit dem Ziel der Kreislaufwirtschaft
Nach der Stilllegung der Mühle im Jahr 2010 erwarb das Unternehmen Gutgrün AG das Areal mit dem ausdrücklichen Ziel, hier ein Projekt des zirkulären Bauens mit Modellcharakter entstehen zu lassen: Mit ihrer Expertise wollten die Gutgrün-Gründer Zindel AG und Schumacher Beteiligungen AG den Beweis antreten, dass ökologisch und sozial verträgliches Bauen auch für Investoren und Entwickler ökonomisch sinnvoll, lohnend und damit ebenfalls nachhaltig ist.
Hauptgebäude und der elfstöckige Turm verfügen jetzt über 37 kleinere 1,5- bis 3,5 Zimmer-Wohnungen mit rund 30 bis maximal 89 Quadratmetern sowie 15 Loftwohnungen mit zweieinhalb bis bis dreieinhalb Zimmern und bis zu 147 Quadratmeter.
Wohnturm besteht zu 60 Prozent aus altem Siloturm
Die Baustoffe des fensterlosen Hochsilos sind nach dem Rückbau sortenrein getrennt und nach Möglichkeit wiederverwendet worden. Der Beton zum Beispiel wurde zu 100 Prozent im nahe gelegenen Werk Untervaz der Gribag AG geschreddert und rezykliert: Er floss wieder in den Neubau ein: Für die neue Betonproduktion wurde die benötigte Gesteinsmischung zu 75 bis 95 Prozent mit dem Abbruchbeton ersetzt und ein CO2-reduzierter Zement verwendet: So wurde der Wohnturm praktisch aus dem gleichen Material neu modelliert und besteht nun zu 60 Prozent aus dem alten Turm. Die Rezeptur wurde zusammen mit Kieswerk, Baumeister, Zementhersteller und Statiker nicht nach SIA-Norm, sondern exakt auf die für die Statik nötige Körnung abgestimmt.
Eine Art Kraftwerk ist die Mühle Grüsch trotz der Umnutzung geblieben. Wo man früher die Wasserkraft nutzte, um Mehl und später Strom zu produzieren, sind es heute Solarzellen an der Fassade und auf dem Dach, die die künftigen Hausbewohner mit Energie versorgen. Für Wärme sorgt eine zentrale Wärmepumpe, ergänzt durch kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Das Energiekonzept der Mühle Grüsch basiert vollständig auf erneuerbaren Quellen.
Optimierte CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus hinweg
Der Turm erfüllt den Minergie-P-Standard und soll über den gesamten Lebenszyklus hinweg eine optimierte CO₂-Bilanz erreichen. Das Büro Ritter Schumacher hat dafür die Tragkonstruktion, die Grundrisse, die Installationen und selbst das Design mit Blick auf den CO₂-Abdruck weiterentwickelt. Dabei ist auch eine neue Ästhetik entstanden, wie am deutlichsten wohl die schwarzen, matt glänzenden Solarpaneele zeigen, die die Fassade vertikal gliedern.
Einmal DGNB Platin und zweimal DGNB Gold
Mit dem Mühle-Projekt will die Gutgrün AG zeigen, dass nachhaltiges Bauen auch in einer Randregion möglich ist und sich rechnet. Die drei Zertifizierungen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bestätigen dies: schweizweit das erste Rückbauzertifikat mit "DGNB Platin" für den Abbruch, "DGNB Gold" für den Neubau des Turms und "DGNB Gold" für die Sanierung des alten Mühlegebäudes.
Das Hauptgebäude der Mühle - das mit dem Satteldach - ist denkmalgerecht saniert worden. Der Siloturm musste komplett dem neuen Wohnturm weichen, bildete aber die baustoffliche Grundlage für den Neubau. Fotos (2): Daniel Ammann / Ritter Schumacher
von Redaktion