Kunststoffrohre für die grabenlose Kanalsanierung

Gastbeitrag von Dipl.-Ing. (FH) Nico Schlenther aus dem Bereich Anwendungstechnik der Karl Schöngen KG in Salzgitter

Es gibt eine Vielzahl von Verfahren zur grabenlosen Sanierung von Abwasserkanälen. Die grabenlose Sanierung von Abwasserkanälen wird grundsätzlich in die drei Verfahrensgruppen Reparaturverfahren, Renovierungsverfahren und Erneuerungsverfahren eingeteilt. Kunststoffrohre werden bei den Renovierungsverfahren und Erneuerungsverfahren eingesetzt. Beim Einsatz von Reparaturverfahren wird eine partielle und temporäre Abdichtung schadhafter Kanalstellen erreicht. Dagegen werden bei den Renovierungsverfahren immer ganze Kanalhaltungen von Schacht zu Schacht saniert. Durch Renovierungsverfahren wird die Funktionstüchtigkeit vorhandener Kanäle erhalten. Bei den Erneuerungsverfahren werden auch immer ganze Kanalhaltungen saniert. Der vorhandene Kanal wird jedoch durch einen neuen Kanal, welcher die Funktion des vorhandenen Kanals übernimmt, ersetzt.
Um Schäden wie z.B. Rohrversätze, Risse, Scherbenbildung und Korrosion, die ursächlich zu Instabilität und Undichtigkeit der vorhandenen Kanäle geführt haben, zu beseitigen, sollte auf den Einsatz von Renovierungs- und Erneuerungsverfahren zurückgegriffen werden, bei denen statisch voll tragfähige, werkseitig gefertigte und geprüfte Neurohre eingesetzt werden.
Zu diesen Verfahren gehören beispielsweise das Einzelrohr und Rohrstrang- Lining (mit und ohne Ringraum), das Berstlining, Close- Fit- Lining und das Kaliberberst- Verfahren. Der Einsatz von Neurohren aus Kunststoffen bietet bei diesen Verfahren viele Vorteile.

2. Rohrwerkstoffe polymerer Abwasserrohrsysteme für die grabenlose Kanalsanierung
Kunststoffrohre für die grabenlose Sanierung und Neuverlegung von Abwasserkanälen  und –leitungen werden hauptsächlich bei den Werkstoffen Polypropylen mit höherem E-Modul (PP-HM), Polyethylen hoher Dichte (PE-HD), weichmacherfreiem Polyvenylchlorid (PCV-U) und glasfaserverstärkten Kunststoffen (GfK) hergestellt.

Bei Abwasserdruckleitungen werden hauptsächlich Polyethylenrohre mit Schutzschichten beispielsweise aus Polypropylen oder besonders spannungsrissbeständigem Polyethylen eingesetzt. Bei den üblicherweise vorhandenen Freispiegelkanälen werden die verschiedenen Kunststoffrohre je nach Sanierungsverfahren eingesetzt. So sind  z.B. GfK Rohre und PVC-U Rohre aufgrund ihrer hohen Steifigkeit und geringen Flexibilität gut für die Neuverlegung im Bohr- Press- Verfahren geeignet. Bei anderen grabenlosen Sanierungsverfahren wie beispielsweise das Berstlining oder TIP-Verfahren ist der Einsatz von Polypropylenabwasserrohren mit höherem Elastizitätsmodul (PP-HM) aufgrund ihrer verbesserten mechanischen Eigenschaften vorteilhaft. Bei der grabenlosen Kanalsanierung werden die Abwasserrohre während des Rohreinbaus in der Regel sehr stark strapaziert.
Deshalb sind hier neben der Flexibilität der Kunststoffrohre auch die mechanischen Eigenschaften besonders wichtig

3. Allgemeine Anforderungen an Rohrsysteme für grabenlose Verlegetechniken
Rohrsysteme für den Einsatz  bei grabenlosen Verlegetechniken müssen robust konstruiert sein, um den schwierigen Einbaubedingungen standzuhalten. Oftmals wird mit größeren Wanddicken als bei Rohren für die offene Verlegung und mit besonders sicheren Verbindungen mit zwei Dichtringen oder speziellen, mehrfachen Lippendichtringen gearbeitet.

Die Verbindungen für diese Rohrsysteme übertreffen bei den meisten Herstellern die Anforderungen nach der DIN 4060 und DIN EN 1277 um ein Vielfaches.   Dies betrifft sowohl die Anforderungen für den Prüfdruck als auch für die maximale Abwinklung in der Rohrverbindung. Deshalb wird durch Fehler, die bereits bei der Verlegung der Altrohrleitung oder durch Setzungserscheinungen auftraten, die Qualität und Lebensdauer des sanierten Abwasserkanals nicht negativ beeinflusst.
Auch die Flexibilität von polymeren Kunststoff- Rohrsystemen bietet entscheidende Vorteile bei der grabenlosen Bauweise. Durch das flexible Verhalten der Rohre können sie sich dem vorhandenen Trassenverlauf anpassen oder Steuerbewegungen mitgehen. Bei leichten Richtungsänderungen oder Deformationen in der Rohrtrasse kommt es nicht zu Riss- / Scherbenbildungen in der Rohrwandung oder zu starken Abwinklungen in der Muffe. Bei biegesteifen Rohren können leichte Richtungsänderungen oder Versätze nur im Bereich der Muffenverbindungen kompensiert werden. Auch auf die Rohrstatik wirkt sich die Flexibilität positiv aus. Die Verkehrslasten werden zu großen Teilen vom umgebenden Boden aufgenommen. Sollte es durch eine mangelnde Verdichtung des anstehenden Bodens oder Ähnliches doch einmal zu übermäßigen Belastungen auf dem Rohr kommen, gibt das Kunststoffrohr etwas nach, wird jedoch nicht undicht. Dies ist ein großer Vorteil. Gerade bei den grabenlosen Bauverfahren sollte dieser Vorteil auch genutzt werden, da man im Gegensatz zur offenen Bauweise die Rohrbettung nicht mehr oder nur geringfügig beeinflussen kann.

3. Funktionelle Anforderungen an die Rohrsysteme
Die seit Jahrzehnten bei den offenen Bauweisen bewährten Verbindungen - nach außen aufgeweitete Steckmuffen - sind für die geschlossenen Bauweisen ungünstig bzw. nicht geeignet.
Die nach außen aufgeweiteten Muffen sind beim Einschieben oder Einziehen der Rohre in die vorhandenen Kanaltrassen oder in das Erdreich hinderlich. Deshalb ist bei Rohren für die geschlossene Bauweise eine innen und außen glatte Muffenverbindung vorteilhaft bzw. erforderlich. Außerdem können die konisch aufgeweiteten Muffen nur geringe Axialkräfte aufnehmen. Bei höheren Belastungen verkeilt sich das Rohr in die Muffe hinein. Zur Aufnahme der Axialkräfte müssen die Rohrenden stumpf aufeinander stoßen. Deshalb werden Kunststoffrohre für die geschlossenen Bauweisen entweder als Langrohre stoffschlüssig miteinander verschweißt oder als Kurzrohrmodule mit entsprechenden Rohrverbindungen gefertigt.
Dem Anwender stehen je nach Einsatzfall Abwasserrohre aus Kunststoff als Kurzrohre  mit 0,5 bis 6,0 m Länge oder als Langrohre in Stangen oder als Ringbundware zur Verfügung.
Wenn die Randbedingungen den Einsatz von Langrohren aus Polyethylen oder Polypropylen zulassen, werden diese meist als Stangenware geliefert und vor Ort stoffschlüssig durch Heizelementstumpfschweißen miteinander verbunden. Die Länge der Rohrstangen wird nur durch den Transport begrenzt und liegt in der Regel bei 12 Metern. Bei kleineren Abmessungen und für das Close- Fit- Relining werden bereits im Herstellerwerk Ringbunde in den entsprechenden Einzugslängen gewickelt auf die Baustelle gebracht.

Teilweise ist der Einsatz von Langrohren bei der grabenlosen Sanierung von Abwasserkanälen jedoch nicht möglich oder wirtschaftlich. So wird zum Beispiel bei einigen Einbauverfahren aufgrund der Maschinentechnik nur mit Kurzrohrmodulen gearbeitet. Bei anderen Verfahren ist der Einsatz von Langrohren in einigen Fällen aufgrund der Randbedingungen nicht wirtschaftlich. Der Grund hierfür liegt in der Regel darin, dass zum Einzug der Langrohre je nach Tiefenlage des Kanals sehr große Baugruben erforderlich sind, um die minimalen Biegeradien dieser Rohre beim Einzug nicht zu unterschreiten. Gerade bei den oftmals in großer Tiefe verlegten Abwasserkanälen sind diese großen Einziehbaugruben ungünstg.

In diesen Fällen kommen Kurzrohre mit Rohrlängen zwischen 0,5 und 6,0 m zum Einsatz. Je nach Einsatzzweck gibt es Kurzrohrmodule mit innen und außen glatten Rohrverbindungen die:
• axial auf Schub
• axial auf Schub mit Zugsicherung
• axial auf Schub und Zug
belastet werden können.

Axial auf Schub und Zug belastbare Rohrverbindungen werden überwiegend beimEinzelrohr-Lining mit Ringraum und HDD-Verfahren eingesetzt. Dann kann die Aufweitung zum Bersten beziehungsweise Kalibrieren der vorhandenen Kanäle direkt gezogen werden und die Neurohre müssen nicht jeweils aufwendig mit der Aufweitung verspannt werden. Hierbei handelt es sich in der Regel um Rohrverbindungen, bei denen die Kurzrohrmodule mittels einer zeitsparenden, kombinierten Schweiß-/ Steckverbindung stoffschlüssig miteinander verbunden werden können. Beim Rohrvortrieb Berstlining sowie beim Einzelrohr- Lining ohne Ringraum werden meist axial auf Schub belastbare Rohrverbindungen eingesetzt. Die Rohre können beim Rohrvortrieb normalerweise verfahrensbedingt  nur auf Schub belastet werden. Beim Einzelrohr-Lining ohne Ring­raum  und Berstlining wirken teilweise extrem hohe, dynamische Kräfte auf die Rohre. Aus diesem Grund werden hier in der Regel die höher belastbaren, axial auf Schub belastbaren Verbindungen eingesetzt.
Neben dem Vorteil der vielfältigen, auf den jeweiligen Anwendungszweck abgestimmten Rohrlängen und Rohrverbindungen gibt es bei den Abwasserrohren aus polymeren Kunststoffen auch Rohre mit speziell auf den Einsatzzweck abgestimmten Abmessungen.
Für das Einzelrohr und Rohrstrang- Lining ohne Ringraum (TIP-Verfahren) mit minimaler Querschnittsverringerung gibt es PP-HM Rohre mit speziell angepassten Außendurchmessern. Diese werden eng anliegend in den vorhandenen Abwasserkanal eingezogen oder eingeschoben. Für das Close-Fit-Lining werden PE- oder PVC- Rohre mit einem vorverform­ten, von der Kreisform abweichenden Profil gefertigt, die nach dem Einzug in den vorhandenen Abwasserkanal wieder in die Kreisform zurück verformt werden.

4. Zusammenfassung
Der Einsatz von Kunststoffrohren bietet bei der grabenlosen Sanierung von Abwasserkanälen und –leitungen eine Vielzahl von Vorteilen. Nicht nur die Flexibilität der Rohrleitungen bringt Vorteile bei der Rohrstatik und für den Rohreinbau, auch die große Variabilität bei der Rohrherstellung  und das breite Lieferprogramm erlauben es, für die einzelnen grabenlosen Bauvorhaben und auf die Rahmenbedingungen abgestimmte polymere Kunststoffrohre aus dem jeweils günstigsten Rohrwerkstoff, mit der am besten geeigneten Rohrverbindung, dem geeigneten Zubehör und in der passenden Abmessung und Baulänge auszuwählen.

Autor: Dipl.-Ing. (FH) Nico Schlenther, Anwendungstechnik, Karl Schöngen KG

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