„Kontrollen gegen Schwarzarbeit massiv verstärken“

Dr. Manja Schreiner von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg fordert auch Änderungen in der Vergabepraxis

DBU/Berlin – Die Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, Dr. Manja Schreiner, ist Cheflobbyistin des Baugewerbes in der Hauptstadtregion. Im DBU-Interview mit Redakteur Heiko Hohenhaus äußert sie sich zu den Problemen mit der öffentlichen Hand als Auftraggeber, zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Nachwuchskräftegewinnung.

Der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung sprechen vom „Jahrzehnt der Inves­titionen“. Hat das Baugewerbe davon schon profitiert?
Dr. Manja Schreiner: Die gute Konjunkturlage schlägt sich bei unseren Mitgliedern seit etwa zwei Jahren nieder. Beim Anfang 2018 vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller ausgerufenen „Jahrzehnt der Investitionen“ hinken wir allerdings noch hinterher – ob nun in Sachen Schulbauoffensive oder Wohnungsbau. Die Zahl der Baugenehmigungen entspricht bei weitem nicht den Ankündigungen. Die Genehmigungen in den Behörden dauern einfach viel zu lange. Es macht sich immer wieder ­bemerkbar, dass vieles an überlangen Bearbeitungszeiten scheitert.

Also an den Bauämtern?
Genau. Die Bauämter haben über die Jahre der Sparpolitik gute und routinierte Mitarbeiter verloren. Unsere Unternehmer klagen immer wieder über die Anonymität der Verwaltung. Sowie mehrere Fachämter beteiligt sind – was eher die Regel als die Ausnahme ist – steht der Unternehmer vor dem Dilemma, verschiedene Aussagen der Behörden für sich kompatibel umzusetzen. Ein schier unlösbares Problem. In Berlin ist die Situa­tion noch prekärer als in Brandenburg, bedingt durch die Zweistufigkeit der Verwaltung und damit ­zusammenhängenden Schnittstellen.

Ist die öffentliche Hand als Auftraggeber noch attraktiv für die Bauwirtschaft in Berlin und Brandenburg?
Sie hat massiv an Attraktivität eingebüßt. Dennoch beteiligen sich in Berlin noch rund 57 Prozent der Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen, in Brandenburg knapp 70 Prozent. Ich habe viele Unternehmer gesprochen, die sich längst aus öffentlichen Ausschreibungen zurückgezogen haben. Problematisch ist erstens der bürokratische Ablauf. Prägnantes Beispiel: Der Kindergartenausbau für 70 000 Euro Auftragsvolumen umfasst 120 Seiten Ausschreibungsunterlagen. Die übertriebenen bürokratischen Hürden haben auch mit der Kompetenz in den Bauämtern zu tun. Da wird dann die Erfüllung einer DIN-Norm aus dem Innenbereich für eine Ausschreibung im Außenbereich herangezogen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Behörde sicherheitshalber alles in den Forderungskatalog aufnimmt, um nichts falsch zu machen. Für unsere Unternehmer steht der Aufwand dann nicht mehr im Verhältnis zum Ertrag. Wir setzen uns bei der Neufassung des Berliner Vergabegesetzes deshalb für den Abbau der bürokratischen Hürden ein. Zweitens wird trotz aller Reden des rot-rot-grünen Senats nach wie vor nach dem niedrigsten Preis bezuschlagt. Unsere Unternehmen sind inhabergeführt mit vielen gewerblichen Mitarbeitern. Die Firmen übernehmen soziale Verantwortung, zahlen Steuern, sind regelkonform. Sie erwarten, dass das bei der Vergabe auch honoriert wird. Drittens fordert die Fachgemeinschaft Bau, bei Sonderprogrammen wie der Schulbauoffensive nicht den ­Mittelstand durch viel zu hoch angesetzte Mindestumsatzzahlen auszuschließen. Nachhaltig wäre stattdessen, den Sanierungsstau kontinuierlich abzubauen, die ortsansässigen Unternehmen angemessen daran zu beteiligen und ihre wirtschaftliche Basis auf Dauer zu verbessern.

Die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg ist in der Hauptstadt als Bauherr tätig. Was hat sie bewogen, im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ein Wohnungsbauprojekt selbst zu realisieren?
Der Verband hatte an dieser Stelle in den 60er-Jahren ein Angestelltenwohnheim errichtet, als nach dem Mauerbau der Wohnraum für Fachkräfte knapp war. Das alte Gebäude musste nun weichen, machte damit aber Platz für unser Bauprojekt. Auch die dort entstehenden Wohnungen werden wir zunächst unseren Firmen für ihre Mitarbeiter anbieten. Auf unserer „Vorbildbaustelle“ sollen bis 2020 37 Wohnungen entstehen. Die Erfüllung wichtiger Sicherheitsstandards, gute Arbeitsbedingungen, faire Vergaben und der konsequente Ausschluss von Schwarzarbeit sind für unser Projekt eine Selbstverständlichkeit. Unsere Baustelle dient als richtungsweisendes Modell für die regionale Bauwirtschaft. Gleichzeitig haben wir hier die einmalige Möglichkeit, als Auftraggeber und Vertreter der Bauwirtschaft alle Vorgaben auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und mit eigenen Erfahrungen neue Impulse für die Politik zu liefern. Bei dem Projekt konnten wir auch unsere eigenen Erfahrungen mit der Bauverwaltung sammeln: Die Genehmigung der Baustelleneinrichtung hat über ein Jahr gedauert.

Sie haben also Schwierigkeiten, die viele Unternehmer und Bauherren haben, bei ihrem eigenen Projekt erlebt?
Ja, leider mussten wir die gleichen Erfahrungen machen wie viele unserer Unternehmen. Für das Land Berlin ist es absolut ­notwendig, dem Bauen die oberste Priorität zu geben. Das muss sich überall zeigen: in der Gestaltung des politischen Rahmens, bei jedem Gesetzentwurf, bis hin zu jedem einzelnen Verwaltungsmitarbeiter. Berlin braucht eine Charmeoffensive.
Auf ihrer Vorbildbaustelle wird Schwarzarbeit konsequent verhindert. Was tut die FG Bau in Berlin und Brandenburg insgesamt gegen das Problem?
Wir haben uns der Bekämpfung der Schwarzarbeit in der täglichen Verbandsarbeit verschrieben. Seit 15 Jahren gibt es bei uns zwei „Baustellenläufer“, die jährlich etwa 500 Baustellen abfahren und qualifizierte Informationen an den Zoll zu eventuellen Verstößen weiterleiten. Aber die Zollverwaltung kommt teilweise nicht hinterher. Nur: Alles, was man seitens der Behörden durch Vorschriften im Vergabeprozess erreichen will, nützt nichts, wenn nicht kontrolliert wird. Entsprechend lautet unsere Forderung in der anstehenden Vergaberechtsnovelle, Schwarzarbeit konsequent zu bekämpfen und die öffentlichen Baustellen wesentlich intensiver zu kontrollieren. Zwingend ist es daher, die Kontrollgruppe beim Senat massiv zu verstärken. Außerdem muss sie anlassunabhängig auf den Baustellen tätig werden können.

Die Auftragsbücher der Bauunternehmen sind voll, die Geschäftsaussichten gut. Wird die Baubranche damit auch wieder attraktiver für junge Berufsanfänger?
Das ist leider kein Selbstläufer. Die Auftragslage ist gut – das sorgt in den Unternehmen für eine positive Grundstimmung. Das reicht aber nicht, um junge Leute für die Baubranche zu interessieren. Denn die Branche hat bei den Jugendlichen ein Imageproblem. Das aufzulösen, ist gar nicht so einfach. Dabei müssen viele Faktoren zusammenwirken, die maßgeblich durch unser Berufsförderungswerk in zahlreichen Initiativen und Projekten gestaltet werden. Um nur ein Projekt des Lehrbauhofes vorzustellen: Wir haben Nachwuchsreferenten, die in die Schulen gehen, Werbung für den Bau machen. Auf der anderen Seite machen die Jugendlichen aber auch den Check mit der Realität: Sie muss mit den Behauptungen der Branche übereinstimmen. Wir kommunizieren deshalb aktiv, dass man auf dem Bau tolle Zukunftsperspektiven hat und gut verdienen kann. Aber wenn man in Berlin über Baustellen läuft, sieht man leider viele prekäre Arbeitsbedingungen auf den Baustellen unseriöser Unternehmen. Zudem haben wir insgesamt zu wenig Jugendliche, die sich für eine duale Ausbildung interessieren. Es hat sich leider ein gesellschaftliches Klima entwickelt, das vor allem auf Studienplätze setzt – nahezu ein Akademisierungswahn.

Wurden die Vorzüge des dualen Systems zu wenig vermittelt?
Ich denke schon. Im Vergleich mit anderen OECD-Ländern war der Akademisierungsgrad dort höher, also hat die Bundesrepublik in diese Richtung nachgesteuert. In anderen Ländern außer in Öster­reich gibt es aber auch nicht das duale System der Berufsausbildung. Statt anderen Ländern also nachzueifern, müssen wir die Stärken des dualen Systems und der Meisterausbildung mit breiteren Schultern vertreten. Der Wert von Handwerk muss besser vermittelt werden. Dazu müssten wir bereits früh in den Schulen ansetzen. Für die Berliner Baubranche haben wir durch unser Engagement schon Erfolge erzielt. So ist die Zahl der Ausbildungsverträge um 25 Prozent gestiegen. Derzeit haben wir wieder mehr als 600 junge Leute in der Ausbildung. Um die Zahl ein wenig einzuordnen: Nach der Baukrise hatten wir weniger als 400 Azubis. Es waren aber auch schon einmal mehr als 1000. Wir arbeiten uns also sukzessive wieder hoch.

Befürchten Sie, dass Dieselfahrverbote auch Bauunternehmen, die in der Berliner Innenstadt tätig sind, treffen könnten?
Ja, das ist zu befürchten, weil unser Fuhrpark größtenteils aus Dieselfahrzeugen besteht. Selbst die neueren Fuhrparks wären betroffen, denn es gibt keine technischen Alternativen. Unser großer Appell an den Senat sind pauschale Ausnahmeregelungen für den Wirtschaftsverkehr, mit Einzelfallentscheidungen wird das nichts. Die Bautätigkeit in der Berliner Innenstadt würde sonst zum Erliegen kommen. Ich habe die Hoffnung, dass es da ein Einsehen gibt.

Erschienen in Ausgabe: Seite 40| Februat 2019

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