Internationales Wissen-Mekka für die Baubranche
Berufsförderungswerk betreibt in Frankfurt (Oder) Ausbildungszentrum mit internationalem Ruf
Das Berufsförderungswerk (BFW) wurde 1990 gegründet, seine Wurzeln reichen bis in die 1950er Jahr. Der Standort in Frankfurt (Oder) wurde 1995 in Betrieb genommen. „In den ersten Jahren haben wir hier am Standort stets rund 300 Lehrlinge betreut“, sagt Jörg Lehmann, Leiter des ÜAZ in Frankfurt. Aktuell seien es nur etwa 100 Auszubildende. „Schon seit Jahren befinden wir uns in dieser Talsohle.“ Ursachen für den Rückgang der Auszubildendenzahl gibt es gleich mehrere. So gäbe es aufgrund des demografischen Wandels weniger junge Menschen, die eine Ausbildung suchen. Zum anderen seien immer weniger Unternehmen der Baubranche bereit, Ausbildungsplätze anzubieten. Und dann sei da noch das Vorgehen der Arbeitsagentur, so Lehmann. „Früher hat die Arbeitsagentur junge Menschen, die keinen Ausbildungsbetrieb gefunden haben, bei uns ausbilden lassen. Sogenannte geförderte Lehrlinge“, berichtet Lehmann. „Heute geht die Zahl der geförderten Lehrlinge gegen Null.“
Diese Entwicklung hinterlässt auch beim Berufsförderungswerk tiefe Spuren, wie Walter Jahn, Leiter des Auslandsdienstes beim BFW zu berichten weiß. „Seit 2009 passen wir uns schrittweise dem geänderten Bedarf der Aus- und Weiterbildung an und werden ab 2014 die Strukturanpassung mit den drei Standorten Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder) beenden.“
Das ÜAZ in Frankfurt an der Oder steht solide da. Einrichtungsleiter Lehmann hat ein vielfältiges Bildungs- und Ausbildungsangebot aufgestellt. „Wir sind Dienstleister. Wir passen uns unseren Kunden an“, sagt Lehmann. Er bietet Bildungsdienstleistungen nicht nur für die einheimische Bauwirtschaft. Auch branchenfremde Bildungsangebote hat er im petto. So bietet das ÜAZ zum Beispiel auch Köche für die Gastronomie-Branche aus.Doch den Großteil seines Umsatzes erzielt er mit ausländischen Kunden. „Etwa die Hälfte des Umsatzes erwirtschaften wir mit unseren Auslandsaktivitäten“, sagt Diplom-Ingenieur Lehmann.
Die mit dem Bus vorgefahrenen 28 Nigerianer haben sich mittlerweile in der Mensa des ÜAZ versammelt. Ihr Gruppenleiter erklärt nochmals detailliert das Programm der kommenden drei Wochen in Deutschland. Nur 14 der 28 Westafrikaner werden die Zeit am ÜZA in Frankfurt an der Oder verbringen: nämlich diejenigen, die eine baugewerbliche Ausbildung erhalten sollen. Die angehenden Metallbauer, Schweißer, Sanitär-, Heizungs- und Klimainstallateure verbringen die Zeit an den Bildungseinrichtungen anderer Verbände und Kammern. Doch alle kommen im Rahmen eines internationalen, sechs Jahre dauernden Entwicklungsprojektes, hinter dem der nigerianische Staat, Deutschland und die Europäische Union stehen. Die jungen Nigerianer, alle zwischen 30 und 35 Jahre alt, sollen künftig als Baulehrer in ihrer Heimat Fachkräfte für die Bauwirtschaft ausbilden. Nigeria will endlich im eigenen Land ein Ausbildungssystem für baugewerbliche Fachkräfte einführen. Das erste Bau-Ausbildungszentrum Nigerias soll entstehen. „Das ist Entwicklungshilfe pur“, sagt Auslandsdienstleiter Jahn. Der jetzige Aufenthalt der jungen Nigerianer in Deutschland dient lediglich der Vorauswahl. „Nicht jeder bringt die nötigen Voraussetzung für eine bauhandwerkliche Ausbildung mit“, sagt Jahn. Die geeigneten werden im kommenden Jahr eine vollwertige Berufsausbildung in Deutschland beginnen, unter anderem am ÜZA in Frankfurt an der Oder. „Und einige davon werden anschließend bei uns sogar noch ihre Meisterausbildung absolvieren“, so Jahn.
Doch nicht nur für ausländische Fachkräfte bietet das Berufsförderungswerk die Meister-Fortbildung an. Vielmehr gehört die Meisterausbildung zum Bildungsgrundangebot des ÜAZ, das sich an sieben Zielgruppen richtet:
• Berufsorientierung für Schüler ab der Klassenstufe 7
• Berufsorientierung für nicht ausbildungsreife Jugendliche
• die berufliche Erstausbildung zum Facharbeiter für die betrieblichen Lehrlinge der Unternehmen sowie für durch die Arbeitsagentur geförderte Lehrlinge
• Weiterbildung für baugewerbliche Mitarbeiter
• Aufstiegsfortbildung. Hierzu zählt die Fortbildung zum Vorarbeiter, zum Polier und zum Industrie- oder Handwerksmeister
• Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitsuchende, finanziert von der Arbeitsagentur
• sowie Bildungsdienstleistungen für ausländische Partner.
Und tatsächlich ist das Berufsförderungswerk e.V. des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg e.V. im Ausland ein gefragter Anbieter von Bildungsleistungen. Polen, Kirgisien, Nigeria, Ägypten. Die Liste der internationalen Zusammenarbeiten ist lang.
So trat zum Beispiel vor ein paar Jahren Ägyptens größter Baukonzern an das BFW heran, um sein ingenieurtechnisches Personal schulen zu lassen. „Die Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Baukonzern läuft immer noch“, berichtet Jahn. In wenigen Tagen wird er in die ägyptische Hauptstadt Kairo reisen, um mit dem Konzernvorstand den Abschlussbericht zu erörtern. „Und anschließend geht das Projekt in die Verlängerung“, so Jahn.
Ursprünglich habe der Bauriese vom Nil nur 20 Jung-Ingenieure aus sechs Fachrichtungen schulen lassen wollen, berichtet Jahn und deutet beim dem Begriff „Jung-Ingenieure“ Anführungszeichen in der Luft an. Denn tatsächlich waren die Ingenieure, die der ägyptische Konzern nach Frankfurt ins ÜAZ schickte alles andere als junge Männer. „Gestandene und erfahrene Ingenieure, die bestimmt schon seit Jahrzehnten am Bau tätig waren“, berichtet Jahn. Doch hatten diese während ihrer Ingenieursausbildung nie die Gelegenheit, ihr an der Universität erlerntes Wissen auch mir praktischen Verfahrungen zu untermauern. „Das sieht die Bauingenieurs-Ausbildung in Ägypten einfach nicht vor“, so BFW-Auslandsdienstleiter Jahn.
Walter Jahn, Leiter Auslandsdienst beim BFW: „Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell die jungen Leute die bauhandwerklichen Kniffe lernen.“
Die Bildungszusammenarbeit mit dem ägyptischen Baukonzern hatte sogar die Aufmerksamkeit der Politik auf sich gezogen. „Der ägyptische Botschafter kam extra angereist, um seine Landsleute bei uns im ÜAZ zu besuchen“, berichtet Jahn.
Nach dem Sturz des ägyptischen Militär-Regimes unter Machthaber Mubarak im Jahr Frühjahr 2011 wurde die Zusammenarbeit mit Ägypten sogar noch intensiviert. Die Bundesregierung hatte nach dem Ende der Militärdiktatur ein Förderprogramm zur Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem arabischen Land gestartet. Seither organisiert die deutsch-ägyptische Außenhandelskammer Schulungsmaßnahmen in Deutschland für ägyptische Facharbeiter aus vier Wirtschaftszeigen: Möbelfertigung, KFZ-Gewerbe, Tourismus und Bauwirtschaft. „Die baugewerblichen Fortbildungen erbringen wir“, sagt Jahn, der seit Gründung des Berufsförderungswerkes für das Unternehmen tätig ist.
Tatsächlich bestehen die internationale Zusammenarbeiten zwischen dem BFW und seinen ausländischen Partnern häufig über viele Jahre hinweg. Walter Jahn berichtet davon, dass Jahr für Jahr ein großer Bildungsträger aus der Tschechischen Republik eine Gruppe Berufsschullehrer nach Frankfurt schickt, um hier ihre bauhandwerklichen und bautheoretischen Fähigkeiten zu verbessern.
Ebenso pflegt das BFW enge Kontakte nach Polen. Regelmäßig absolvieren Gruppen polnischer Berufsfachschüler einen dreiwöchigen Praxiskurs am ÜAZ in Frankfurt an der Oder. „Die Ausbilder sagten mir, dass sie den Aufenthalt ihrer Schüler bei uns als einen Teil der Prüfungsvorbereitung verstehen“, so Jahn. Denn tatsächlich ist die baugewerbliche Berufsausbildung im Ausland sehr selten so stark staatlich reglementiert wie in Deutschland. „Es kommt schon mal vor, dass einige der polnischen Berufsschüler bei uns zum ersten Mal in ihrem Leben zwei Mauersteine aufeinander setzen “, berichtet Jahn. „Und ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell die jungen Leute die bauhandwerklichen Kniffe lernen.“