Wohnungsbau -

600.000 genehmigte Wohnungen warten auf ihre Umsetzung

KfW-Research: Kapazitätsengpässe der Bauwirtschaft und lange Bauzeiten verursachen Überhang

DBU/Berlin – In Deutschland werden viele bereits genehmigte Wohnungen nicht gebaut. Laut einer aktuellen Analyse von KfW Research und dem Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut empirica hat sich „über die letzten Jahre ein Überhang von 600.000 Wohnungsbaugenehmigungen angehäuft.

„In der öffentlichen Debatte wird der „Schwarze Peter“ gerne den Kommunen zugeschoben, deren langwierige Genehmigungsverfahren für den Wohnungsmangel verantwortlich sein sollen. Einer empirischen Überprüfung hält dieser Vorwurf jedoch kaum Stand. Das Fertigstellungsdefizit entsteht vielmehr dadurch, dass genehmigte Bauvorhaben oftmals nur mit Verzögerungen oder gar nicht fertiggestellt werden“, kommentierte Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe.

Nachfrageüberhang von 90.000 bis 120.000 Wohnungen
2016 wurden in Deutschland rund 278.000 neue Wohnungen fertiggestellt. Doch bleibe der Neubau damit weiter deutlich hinter der Nachfrage zurück, vor allem in den Ballungsgebieten, schreibt KfW Research. Im vergangenen Jahr wurden laut KfW Research und empirica 90.000 bis 120.000 Wohnungen weniger fertiggestellt als erforderlich, um bestehende Wohnungsengpässe zu beseitigen. „Der anhaltende Urbanisierungstrend und die Zuwanderung treiben den Neubaubedarf nach oben“, teilte KfW Research weiter mit.
Für die Verzögerung bei der Umsetzung von Baugenehmigungen und den resultierenden Überhang von 600.000 Wohneinheiten gibt es laut KfW-Analyse verschiedene Ursachen: So dauere der Bau von größeren Mehrfamilienhäusern auch bei zügigem Baufortschritt oftmals länger als zwei bis drei Jahre. Ebenso spielten Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft eine Rolle, die durch die anhaltende Hochkonjunktur am Bau seit Jahren stark ausgelastet sei. „Insbesondere in den großen Ballungszentren zeigt sich außerdem das Phänomen, dass Investoren Baugenehmigungen auf Vorrat einholen und die dahinterliegenden Projekte zunächst nicht umsetzen, weil sie auf steigende Mieten und Immobilienpreise in der Zukunft setzen“, so KfW Research.
Und weiter: „Ohne Intensivierung der Bautätigkeit werden Wohnraumknappheit und Mieten insbesondere in Berlin, Hamburg, München und dem Rhein-Main-Gebiet in den nächsten Jahren weiter zunehmen.“ Bis 2020 wird die Bevölkerung im Bundesgebiet durch Arbeitnehmerzuzug insbesondere aus EU-Mitgliedstaaten auf einen Spitzenwert von etwa 83 Millionen ansteigen, „wodurch der Druck auf die Wohnungsmärkte vor allem in Ballungsgebieten zunehmen werde“, folgern die Experten. Um die Nachfrage nach neuen Wohnungen auch längerfristig zu befriedigen, müssten bis 2030 4,4 Millionen neue Wohnungen entstehen. „Bereits der Abbau des bestehenden enormen Überhangs von Baugenehmigungen würde erheblichen Druck von den angespannten Wohnungsmärkten nehmen“, so Zeuner. 

Erschienen in Ausgabe: Dezember 2017/Januar 2018 | Seite 1

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