Schalung - von Redaktion

Hünnebeck-Schalkonzept reduziert die Kranzeiten erheblich

Der Frankfurter „Grand Tower“ stellt als Deutschlands höchstes Wohngebäude die Bauausführenden vor enorme Herausforderungen

Ratingen – Wechselnde Geschossgrundrisse, wenig Platz, begrenzte Kranzeiten. So lassen sich die schwierigen Baustellenbedingungen beim Frankfurter Großprojekt Grand Tower auf den Punkt bringen. Ein klug durchdachtes Schalkonzept und der Einsatz von Hünnebeck Schal- und Sicherheitssystemen haben den Rohbau dennoch zügig in die Höhe wachsen lassen.

Mit dem 172 m hohen „Grand Tower“ entsteht seit 2016 im Frankfurter Europaviertel Deutschlands höchstes Wohnhochhaus. Bauherr und Projektentwickler ist die gsp Städtebau GmbH (Berlin). Der rautenförmige Turmbau umfasst 55.000 m2 Bruttogeschossfläche, die sich auf ein Untergeschoss, drei Technikgeschosse und 47 Geschosse mit 401 Apartments verteilen. 2019 soll das Objekt bezugsfertig sein.

Entzerrt: Vorlaufender Kern
Die bauausführende Karl Gemünden GmbH & Co.KG (Ingelheim) hat sich wegen der schwierigen Baustellenbedingungen die Schalungsexperten von Hünnebeck an die Seite geholt. Gemeinsam entwickelte man ein durchgängiges Schalkonzept. Dazu gehörte als Erstes die Entscheidung, die Rohbauarbeiten zu entzerren und den Gebäudekern aus Treppenhaus, Aufzugsschächten und rautenförmiger Ringwand getrennt vom Wohnungsbereich herzustellen – und zwar drei bis vier Geschosse vorlaufend. Nachrückend werden die Decken- und Wandbereiche der variantenreichen Wohnungsgrundrisse hergestellt – vollflächig abgeschirmt hinter einem 13 m hohen Windschild, das Hünnebeck auf dieser Baustelle erstmals in Deutschland einsetzt.

Kranzeit sparen
Bei der Konzeption der Schalung wurde darauf geachtet, möglichst viele Arbeitsschritte kranunabhängig ausführen zu können. So wird die Außenseite der Ringwand nahezu komplett ohne Kraneinsatz geklettert und geschalt.
Hier sind umlaufend Konsolen der Hünnebeck-SCF-Selbstkletterschalung angeordnet. Das modular aufgebaute Schalungssystem klettert kranunabhängig hydraulisch Schritt für Schritt mit dem Bauwerk nach oben.
Grundsätzlich ist die SCF Schalung immer ein Unikat, bei dem das Verhältnis Konsolenanzahl zu Schalungsfläche exakt auf die Bauwerksgeometrie abgestimmt ist. Alle Schalungs- und Konsolkomponenten werden – abhängig von den spezifischen Bedingungen vor Ort – als komplette, selbsttragende Funktionseinheiten konzipiert. Auf der Frankfurter Baustelle ist die Schalung mittels Abfahrschlitten fest auf den Bühnen installiert. Aufgrund der geringen Geschosshöhe von nur 3,25 m wird nur eine Nachlaufbühne benötigt.
Der innere Kernbereich mit seinen engen Schächten und relativ dünnen Innenwänden eignet sich hingegen nicht für den Einsatz von Selbstklettereinheiten. Für seine Herstellung wurde eine Mischform aus Selbstkletterkonsolen und Klinkbühnen gewählt.
Als Schalungssystem wird die Manto-Rahmenschalung eingesetzt. Ihre kompakte Bauweise vereinfacht vor allem in den engen Schachtgeometrien die Bedienung der Schalung, die an einem Stahlgerüst aufgehängt ist, das auf den Klinkbühnen steht. Dadurch lassen sich Schalung und Bühnen gemeinsam in einem Hub umsetzen – das spart wiederum Kranzeit.
Gleichzeitig kann die Bewehrung in großen Einheiten am Boden vorgeflochten und dann von oben in die Schalung eingebracht werden, da keine behindernden Träger über den Wänden stehen. Auch diese Vorgehensweise spart Zeit, da zeitgleich oben am Bauwerk betoniert und unten am Boden die Bewehrung hergestellt werden kann.

Komplexe Verankerungsproblematik
Eine besondere Herausforderung ist die Verankerung der SCF- und Klinkbühnen in der Ringwand. Der ständig variierende Grundriss mit unterschiedlich positionierten Tür- und Wandöffnungen in jedem Geschoss machte es notwendig, für die Verankerung der Selbstkletterschalung ein System aus verschiedenen Verankerungsformen zu entwickeln: Neben der „normalen“ Konenverankerung haben die Hünnebeck SCF-Spezialisten sowohl eine Lösung zur Verankerung in Wandöffnungen entworfen (Kletterschuh an konischem Stahlkasten) wie auch die Verankerung über einer Tür entwickelt (Konsolenverankerung nach oben und Abstützung über Stahlrohrstützen).
Die vielen Öffnungen in der Kernringwand erschweren aber nicht nur die Verankerung der SCF-Selbstklettereinheiten an der Wandaußenseite, sie beeinflussten auch die Verankerung der Klinkbühnen auf der Innenseite. Hierzu mussten ebenfalls mehrere Varianten erarbeitet werden – von einfach bis hochkomplex, beispielsweise im Türbereich, wo Vertikallasten mit Stahlrohrstützen auf den Sturz unterhalb der Türöffnung abgeleitet werden mussten. Letztlich wurden für die Kletterbühnen des Gebäudekerns rund 350 verschiedene Sonderteile benötigt. Da sich die Verankerungen in jedem Stockwerk ändern, haben die Hünnebeck-Kletterschalungsexperten zu jedem Geschoss einen Plan erstellt, auf dem für jeden einzelnen Ankerpunkt der Typ und die zu verwendenden Stahlteile ausgewiesen wurden. Diese Mühe zahlt sich in einem reibungslosen Bauablauf aus.

Grundrisswechsel
Das gilt auch für den Bau der Wohnungen, der der Herstellung des Gebäudekerns zügig folgt. Bei dieser Aufgabe kommen als Decken­schalung das handbedien­bare Modulsystem Topec, der Topmax-Stahlrahmen-Deckenschaltisch und das Aluminium-Unterstützungssystem Gass sowie Lastrahmen- und Stahlrohrstützen zum Einsatz. Alle Wandflächen werden mit der Manto-Großrahmenschalung bzw. Sonderschalungselementen (H20 Wandschalung) hergestellt. Erschwerender Faktor: Die Grundrisse wiederholen sich zwar in diversen Rhythmen (z.B. alle vier Geschosse zw. dem 8. und 29. Geschoss), wechseln aber in jedem Geschoss. Die von Hünnebeck erarbeitete Schalungsplanung geht auf diese Bedingungen ein und ermöglicht den wirtschaftlichen Einsatz der Schalungen.

Deutschlandpremiere: Hünnebeck Windschild „Safescreen“
Für hohe Sicherheit und eine angenehme Arbeitssituation auch in großer Höhe sorgt das auf der Frankfurter Baustelle erstmals in Deutschland eingesetzte System Safescreen, das neben einem vorlaufenden Seitenschutz einen leichten Wetterschutz bietet. Das leichte Schutzwandsystem ist eine Entwicklung der britischen Schwestergesellschaft Hünnebeck UK und wird auf der Insel bereits seit zehn Jahren erfolgreich eingesetzt.
Die äußere Verkleidung des Windschilds wird durch teleskopierbare Stahlrahmen hergestellt, die mit einem Lochblech aus Aluminium belegt sind. Diese mietfähigen Verkleidungselemente lassen sich in der Breite stufenlos zwischen 2,90 m und 5,00 m einstellen.

Die Balkone an der Fassade des Bauwerks werden aus Fertigteilen hergestellt. Diese Fertigteile sind nicht in der Lage, die Lasten aus dem Safescreen-Windschild und der nächsten Ebene Balkonfertigteile abzutragen. Hünnebeck hat dafür Konsolen aus mietfähigen MK2-Trägern geliefert, die die Fertigteile überbrücken und die Lasten aus dem Windschild aufnehmen und sicher in die Decken ableiten, ohne die Balkone zu belasten. Außerdem wurden die Fertigteile für die darüberliegenden Balkone auf diesen Konsolen abgestützt.

Vormontierte Arbeitsbühnen
Auf der Frankfurter Baustelle reicht der 13 m hohe Windschild über drei volle Geschosse und überragt die oberste Decke um rund 2,30 m. Zur besseren Zugänglichkeit der Arbeiten am Deckenrand ist zudem auf jeder Decken­ebene eine Arbeitsbühne montiert. Die Bühnen wurden als bereits vormontierte Elemente inklusive 2,90 m breitem Windschild auf die Baustelle gebracht. Ein bewusst gewähltes Maß, denn eine weniger als 3 m breite Bühne lässt sich vollständig montiert ohne weiteren Aufwand „normal“ transportieren. Der zeit- und platzsparende Vorteil für die Baustelle: Die komplette Vormontage und später auch die Demontage der Arbeitsbühnen kann im Lager erfolgen.

Termingerechte Rohbauerstellung
Letztlich haben alle Detailüberlegungen und Maßnahmen darauf abgezielt, die räumlich engen Bedingungen vor Ort nicht weiter zu belasten und das architektonisch anspruchsvolle Objekt möglichst reibungslos und damit zügig zu erstellen. „Das ist dank guter Planung und partnerschaftlicher Zusammenarbeit hervorragend gelungen“ – so das gemeinsame Fazit des Gemünden-Baustellenteams und der Hünnebeck-Projektentwicklung kurz vor dem termingerechten Abschluss der Rohbauarbeiten.

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: September 2018 | Seite 11

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