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Herzog & de Meuron brechen den Klinker

Sanierung und Erweiterung des Musée Unterlinden in Colmar (Frankreich)

Marklkofen – Die Basler Architekten Herzog & de Meuron schenkten dem elsässischen Colmar mit ihrer Sanierung und Erweiterung des Musée Unterlinden nicht nur einen neuen kulturellen und städtischen Mittelpunkt, sondern beweisen in der Umsetzung ihres Wettbewerbsentwurfes einen sensiblen, aber zeitgenössischen Umgang mit dem denkmalgeschützten Baubestand des ehemaligen Dominikanerinnenklosters. Die Planer verbinden das gotische Bauwerk mit einem Jugendstil-Schwimmbad, ergänzen es um einen Neubau mit außergewöhnlicher Fassadenlösung und bilden so ein selbstverständliches drei Epochen umspannendes Ganzes, das den Ton der kleinen Stadt perfekt trifft.

Das Musée Unterlinden befindet sich in einem einstigen Dominikanerinnen-Kloster in der elsässischen Kleinstadt Colmar in Frankreich, das in der ersten Hälfte des 13. Jh. erbaut wurde. Seit 1853 beherbergt es altdeutsche Meisterwerke, wie den weltberühmten Isenheimer Altar von Matthias Grünewald. Mit den Jahren vergrößerte sich die Sammlung durch Schenkungen moderner Kunst und Fotografie so stark, dass die Stadt 2009 einen Wettbewerb ausschrieb, den das international renommierte Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron gewann.

2012 begannen die Basler Architekten mit der Sanierung des Bestandsgebäudes und erweiterten das Museum um einen dreigeschossigen Neubau. Ein Galerietunnel verbindet die beiden Ausstellungsbereiche. Das an die Colmarer Altstadthäuser erinnernde sogenannte „kleine Haus“ versorgt den unterirdischen Bereich mit Tageslicht und inszeniert gleichzeitig drei der wichtigsten Werke des Museums.

Raue Fassaden aus gebrochenen Ziegeln
In der Fassaden- und Dachgestaltung des Museumsneubaus und des kleinen Hauses zeigt sich der behutsame, aber zeitgemäße Umgang der Planer mit Bestands- und Neubauten. Die raue Gebäudehülle aus Verblendmauerwerk und von Hand gebrochenen Klinkern ist über große Bereiche öffnungsfrei. Die sparsam eingesetzten, als Spitzbögen ausgestalteten, schmalen Fenster erinnern stark an den gotischen Ursprung des ehemaligen Klostergebäudes. Eine auffällige Haut aus Kupfer bildet das Dach des „kleinen Hauses“

Das ungewöhnliche Sondermauerwerk der Neubauten wurde als angepasster Binderverband aus dem 28 Zentimeter breiten mal 12 Zentimeter hohen mal 8,5 Zentimeter tiefen Gima-Klinker im Sonderfarbton Colmar-Breno FKG umgesetzt. Dazu wurden 75.000 gelochte Formsteine dieses Types immer an der gleichen Stelle in der Mitte auseinandergebrochen und mit der unregelmäßigen Seite nach außen vermauert. Die Bruchstellen sollten keine glatten unnatürlichen Oberflächen aufweisen. Oberflächenstruktur und Farbspiel der Fassade waren aber kein Zufallsprodukt. Herzog & de Meuron hatten eine ganz konkrete Ästethik vor Augen, die dank eines speziellen Brennverfahrens umgesetzt werden konnte: Durch Zugabe von Kohle und Salz während des Brandes sowie einer speziellen Ofenatmosphäre erreichte man das von den Architekten vorgegebene Farbspiel der außergewöhnlichen Oberfläche. An die Fassade an sich ergaben sich daraus resultierend neue technische Anforderungen. Die großen Fassadenflächen verlangten angepasste Dehnfugen. Konstruktiv wurde die Fassade um eine Lagerfugenbewehrung ergänzt. Als Reaktion auf die zusätzliche hohe Belastung infolge von Wind, Wetter und möglichen Erdbeben wurde ein spezieller auf temperaturbedingte Längenänderungen reagierender Anker ent­wickelt, der in Zusammenarbeit mit der TU Dresden unabhängig erprobt wurde. Zur Museums-Erweiterung wurde zudem die angrenzende ehemalige städtische Badeanstalt im Stile des Art nouveau einbezogen. Der so neu entstandene öffentliche Platz mit wieder freigelegtem Kanal trägt ganz maßgeblich zur besonderen Aufenthaltsqualität des Ortes bei und gliedert sich optimal in den historischen Kontext der elsässischen Stadt ein.
Analog zur Fassadengestaltung spielte auch hier die Materialität eine besondere Rolle, die Bodenfläche des Unterlinden-Platzes wurde mit farblich auf den Museumsneubau abgestimmten Gima-Pflasterklinkern gestaltet. Die natürliche Ästetik des Tonklinkers schafft es, an dieser Stelle das historische Klos­ter mit Neubauten und Schwimmbad zu einem spannenden Gesamtensemble zusammenzuführen.

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Erschienen in Ausgabe: Juni 2017 | Seite 34

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