von Redaktion

Forscher schließen digitale Lücken auf Großbaustellen

Infra-Bau 4 vernetzt sämtliche Bau-Akteure – Kurzfristige Umplanungen werden effizienter und billiger

Große Bauvorhaben sind in der Regel mit einem enormen Koordinationsaufwand verbunden. Trotz Building Information Modeling (BIM) ist der Austausch der Akteure auf der Baustelle in der Praxis nach wie vor oft vielschrittig und uneinheitlich. Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE )hat eine digitale Lösung parat.

Infra-Bau 4 nennt sich kurz und knackig die Plattform der Fraunhofer-Forscher, die sämtliche Beteiligten eines Bauvorhabens miteinander vernetzt. Sie ermöglicht das digitale Abbilden von Ressourcen und Prozessen und erleichtert so die Planung und Umplanung am Bau. Insbesondere für die vielen großen dringenden Mega-Infrastrukturprojekte mit zahlreichen daran beteiligten mittelständischen Bauunternehmen ist es geeignet. Denn die Möglichkeiten der Digitalisierung werden von diesen Akteuren bisher bei Weitem noch nicht in vollem Maße genutzt. BIM kann zwar digitale Planungsdaten liefern, wird aber bisher nicht flächendeckend eingesetzt. Zudem stoßen die Bauunternehmen in der Praxis vor allem im Bereich der Vernetzung sowie bei kurzfristigen Umplanungen, die auf Baustellen zur Tagesordnung gehören, an ihre Grenzen.

Viele Arbeitsschritte werden daher weiterhin separat und manuell eingeleitet. Automatisierte, aufeinander abgestimmte, transparente Vorgehensweisen und einheitliche Standards in der Kommunikation und Planung fehlen.

Das Projekt Infra-Bau 4.0 schließt diese Lücke Gefördert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr entwickelt eine Vielzahl an Konsortialpartnern aus Wissenschaft und Bauindustrie eine digitale Kommunikationsplattform, die es ermöglicht, Infrastrukturprojekte effizienter zu gestalten und somit Arbeitsaufwand, Zeit und Kosten zu reduzieren.

Planer, Bauleiter und Handwerker gehören zu digitalem Ökosystem
Die technisch-wissenschaftliche Leitung hat das Fraunhofer IESE in Kaiserslautern inne und bringt dabei jahrelange Expertise aus dem Bereich der digitalen Ökosysteme in das Projekt mit ein. „Unter einem digitalen Ökosystem verstehen wir einen soziotechnischen Verbund, in dem Unternehmen, Technik und Personen über eine digitale Plattform miteinander kooperieren und jeder Akteur dabei individuell von der Teilnahme profitiert“, erklärt Denis Feth, Experte für „Security and Privacy Technologies“ am IESE und technisch-wissenschaftlicher Leiter des Projekts. „Im Rahmen des Projekts hat unser Institut das Thema in seiner gesamten Breite betrachtet: Wie muss so eine Plattform für die Baubranche aufgebaut sein? Was können Anreize zur Teilnahme sein? Wie können wir einen sicheren Datenaustausch ermöglichen? Die Infra-Bau-4.0-Plattform bildet das Ergebnis all dieser Überlegungen. Als digitales Ökosystem vernetzt sie vom Bauleiter über die Planerin bis hin zum einzelnen Bauarbeiter alle Bauakteure miteinander. Sogar Baumaschinen können eingebunden werden. So wird eine digitale Projekthierarchie abgebildet, die der realen Situation auf der Baustelle entspricht. Jede Person hat dabei einen eigenen Account, über den sie mit anderen Akteuren interagieren kann. Der Informationsaustausch ist so klar strukturiert und bleibt nachvollziehbar.

„Wichtig war und ist uns, dass das Benutzen unserer Plattform für die Beteiligten keinen zusätzlichen Aufwand bedeutet und es keine Hürden in der Anwendung gibt“, sagt Feth. „Wir wollen auch gar nicht mit bereits bestehenden Lösungen in Konkurrenz treten. Ganz im Gegenteil: Alle Beteiligten interagieren weiterhin mit ihren gewohnten Tools. Wir halten mit unserer Metaplattform im Hintergrund die Fäden zusammen und ermöglichen den Austausch.“ Von der BIM-Software über Projektmanagementlösungen bis hin zu spezifischen Baumaschinenanwendungen sind bereits zahlreiche branchenübliche Baustellen-Tools angebunden.

Durch die Plattform können Daten nicht nur ausgetauscht, sondern darüber hinaus mithilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz auch geschickt weiterverwendet werden, erklärt Feth: „Wenn es derzeit auf dem Bau zu ungeplanten Änderungen im Ablauf kommt, müssen Planer weitestgehend manuell mit diesem Problem umgehen. Unsere Plattform dagegen kann auf Basis der gesammelten Daten fundierte Entscheidungsvorschläge liefern, die hinsichtlich Parametern wie Kosten und Zeit optimiert sind, und so den Planern eine wertvolle Hilfestellung geben.“

Investoren von Idee überzeugt: Folgeprojekt soll zeitnah starten
Das Projekt Infra-Bau 4.0 startete im Sommer 2020 und konzentrierte sich zunächst rein auf die Phase der Bauausführung. In einem ersten Schritt wurden mithilfe von realistischen Fallbeispielen die Anforderungen an die Plattform erhoben. Es folgten die technische Konzeption und das Ausdetaillieren der Plattform, bevor dann anschließend mit der tatsächlichen Umsetzung begonnen wurde. Zuletzt fanden eine erste grobe Evaluierung der Funktionalitäten durch die Projektpartner statt.

Denis Feth ist mit dem bisher Erreichten sehr zufrieden: „Wir haben innerhalb von eineinhalb Jahren enorm viel auf die Beine gestellt und konnten zeigen, dass unsere Kommunikationsplattform technisch umsetzbar und vielfältig einsetzbar ist. Unser Konsortium und unsere Geldgeber sind weiterhin vom Potenzial unserer Idee überzeugt.« Daher ist das Folgeprojekt bereits in Planung und soll zeitnah starten“.

Bild: Die Infra-Bau-4.0-Plattform in der Projektübersicht. Fotorechte: Fraunhofer IESE

 

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: online

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