von Gastautor

Mindestsätze für Honorare von Architekten verletzen Europarecht

Was folgt daraus für Bauunternehmen? – Gastkolumne von Rechtsanwalt Dr. Ralf Averhaus

Berlin – Mit Urteil vom 4.7.19 hat der EuGH die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) als europarechtswidrig eingestuft (C-377/17). Der EuGH hat zwar anerkannt, dass die Mindestpreise einen ruinösen Preiskampf unter Architekten und Ingenieuren verhindern können. Allerdings seien die Mindestpreise derzeit nicht geeignet, die Qualität von Planungsleistungen zu sichern.

Grund ist, dass nicht nur qualifizierte Architekten und Ingenieure, die einer Aufsicht unterliegen, Planungsleistungen erbringen dürfen. Höchstpreise wertet der EuGH als unverhältnismäßig; es genüge, Verbraucher durch Preisempfehlungen vor intransparenten und überhöhten Honoraren zu schützen.

Honorare müssen künftig frei vereinbart werden
Die Bundesregierung muss nun Abhilfe schaffen. Erwartet wird eine Änderung der HOAI dergestalt, dass die Mindest- und Höchstsätze aufgehoben und die übrigen Regelungen nur noch zur Orientierung erhalten werden. Spätestens dann können die Honorare für Leistungen, die unter die HOAI fallen (wie die Gebäudeplanung), frei vereinbart werden und Bauunternehmen alle Planungsleistungen zu Honoraren „einkaufen“, die unter den bisherigen Mindestsätzen liegen.
Damit entfällt ein Risiko, dem sich bislang vor allem Generalunternehmer ausgesetzt sehen. Umfasst ein Bauauftrag neben Bau- auch Planungsleistungen , gilt die HOAI mit ihren Mindestsätzen nur im Vertragsverhältnis zum Planer, aber nicht zum Bauherrn. Grund ist die sog. „Paketanbieter“-Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 22.5.97 – VII ZR 290/95). Dies kann zum Problem werden: Wurde für die Planung ein Pauschalhonorar vereinbart und stellt sich später heraus, dass es den Mindestsatz der HOAI unterschreitet, kann der Planer eine Aufstockung bis zum Mindestsatz verlangen, aber das Bauunternehmen diese Forderung nicht an den Bauherrn „durchreichen“. Bis zur Änderung der HOAI bleibt es der „sichere Weg“, die Mindestsätze zu beachten und mit dem Bauherrn einen Anpassungsmechanismus zu vereinbaren.
Höchst umstritten ist, wie sich das EuGH-Urteil auf laufende Aufstockungsklagen zu den Mindestsätzen auswirkt. Nach Ansicht des OLG Celle sind die Mindest- und Höchstsätze der HOAI nicht mehr anzuwenden und ist das Urteil des EuGH sofort umzusetzen (Urt. v. 17.7.19 – 14 U188/18 u. 14.8.19 – 14 u 198/18). Hiernach wären Aufstockungsklagen (z.B. gegen Bauunternehmen) abzuweisen. Nach anderer Ansicht (OLG Hamm, Urt. v. 23.7.2019 – 21 U 24/18; KG, Beschl. v. 19.8.19 – 21 U 20/19) kommt dem EuGH-Urteil kein Einfluss auf laufende Aufstockungsklagen, sondern nur ein rein feststellender Charakter zu. Die genannten Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Bis zur Klärung durch den BGH (VII ZR 174/19 und 179/19) sollten laufende Aufstockungsprozesse möglichst ausgesetzt werden.


Bauunternehmen, die einen Planer vor dem EuGH-Urteil zu einem Honorar oberhalb der Mindestsätze beauftragt haben, könnten argumentieren, dass sie in Kenntnis des Urteils nur ein geringeres Honorar akzeptiert hätten. Die Erfolgsaussichten für eine Reduzierung des Honorars gemäß § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) dürften indes nicht allzu hoch sein.

Zum Autor:
Dr. Ralf Averhaus, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, ist Partner am Berliner Standort von Leinemann Partner Rechtsanwälte Er berät bei Bauvorhaben und Infrastrukturprojekten und hat langjährige Erfahrung als Vertreter in Honorarprozessen vor Gericht.

von Gastautor

Erschienen in Ausgabe: Seite 6| Oktober 2019

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