von Christian Schönberg

Erleichterung bei Autobahn GmbH nach Koalitions-Einigung
Allein im Norden Deutschlands müssen 70 Brücken in den nächsten zehn Jahren komplett ersetzt werden
Am Vormittag des 9. Oktober hat die Regierungskoalition ihre Einigung zu einem Reformpaket verkündet: Zusätzliche drei Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur bis 2029 sind enthalten. Am Nachmittag desselben Tages schickte die Autobahn GmbH des Bundes eine Mitteilung.
Dr. Michael Güntner: Guter Tag für die Autobahn in Deutschland
Deren Wortmenge war erstaunlich gering. Sie lautete: „Zu den Ergebnissen des Koalitionsgipfels erklärt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Autobahn GmbH des Bundes, Dr. Michael Güntner: ‚Das ist ein guter Tag für die Autobahn in Deutschland.‘“ Mehr stand nicht drin. Die Standard-Erklärungen zum Datenschutz waren in der Mail vier mal länger als die gesamte Mitteilung.
Diese Lakonie mag darin begründet sein, dass die GmbH dem Bund und damit faktisch der Koalitionsregierung unterstellt ist. Da will man dann sein Plazet nicht mit zu viel Interpretationsspielraum beladen. Und doch wirkt die Mitteilung, gerade weil sie so kurz ist. nur noch wie ein großer Stoßseufzer: Endlich!
Neue Projekte? Autobahn GmbH musste Füße stillhalten
Endlich: Denn die Autobahn GmbH hat enorm viel vor sich. Aber viel machen kann sie auch wieder nicht. Denn eine Zeit lang war es so, dass sie nur Geld für Bauwerke ausgeben durfte, deren Fertigstellung bereits begonnen wurde. Das lag an der immer noch vorläufigen Haushaltsführung des Bundes. Später wurde der Ausschreibungstopp zwar aufgehoben. Aber wie kontraproduktiv so etwas ist, zeigt das Beispiel der Berliner Ringbahnbrücke, wo eine Notsperrung für wochenlanges Verkehrschaos mit entsprechendem wirtschaftlichen Schaden verkraftet werden musste.
Das Beispiel der Bundeshauptstadt kann sich künftig häufen. Schaut man allein in den äußersten Norden der Bundesrepublik ergibt sich folgendes Bild: Es müssen in den nächsten zehn Jahren 70 Autobahnbrücken komplett ersetzt werden.
Rader Hochbrücke wird bei laufendem Verkehr neu gebaut
Wie das funktionieren kann, lässt sich derzeit an der Hochbrücke bei Rade (Schleswig-Holstein) beobachten. Bei laufendem Verkehr wird dort das neue Überführungsbauwerk errichtet.
Das Bauwerk ist Teil von Deutschlands längster Bundesautobahn A 7. Entstanden ist die Brücke, weil Kiel 1972 Austragungsort der Olympischen Segelspiele wurde.
Brücke der A7 steht kurz vor der erzwungenen Vollsperrung
Seitdem gab es keine „grundhafte Instandsetzung“ mehr, wie Behörden die Komplett-Erneuerung von Straßen nennt. Gutachter stellten 2014 fest, dass das Rader Verbindungsstück über dem Nord-Ostsee-Kanal nur noch bis 2026 für den Verkehr freigegeben werden kann. Für die Zeit danach kann keine Sicherheitsgarantie gegeben werden.
Erst knapp acht Jahre später begannen erste Fällarbeiten – die inoffizielle Eröffnung der Baustelle. Erster Spatenstich war im April 2023.
Ausbau der Fahrstreifen der A 7 von vier auf sechs Fahrspuren
Das neue Bauwerk entsteht direkt neben dem alten. Die Überführung wird künftig sechs statt nur vier Fahrspuren bieten. Eine Freigabe der Strecke soll spätestens im kommenden Jahr erfolgen – also pünktlich bis zur Restnutzungsdauer der alten Brücke, die dann abgetragen werden kann.
Die Hoffnung einer Abkehr von zu langen Planungen und Bauausführungen hegt Carsten Butenschön, Leiter der Hamburger Niederlassung der Autobahn GmbH. Genährt wird diese von seiner gesetzlich verbindlichen Stichtagsregelung, auf die sich die schwarz-rote Regierung bereits bei den Koalitionsverhandlungen verständigt hat.
„Die neue Stichtagsregelung erleichtert alles“, sagt Butenschön. Bislang ist es so, dass einmal getroffene Planungsentscheidungen wieder aufgebrochen werden müssen, wenn beispielsweise ein neues Umweltgesetz Wirkungskraft erlangt. „Solche Planungsänderungen sind das, was uns aufhält“, stellt Butenschön klar. Die verbindliche Stichtagsregelung kann ihm zufolge daher tatsächlich zum Turbo für die Umsetzung von Bauprojekten werden.
Fachkräftemangel auch für Autobahn GmbH ein Thema
Zwei Hemmschuhe können abseits neuer Stichtagsregelungen aber noch zu Verzögerungen beitragen: „Gute Fachkräfte zu finden, wird unser Flaschenhals sein“, sagt Butenschön. Und dann ist da noch die Finanzierung: Politische Turbulenzen auf Bundesebene können lange Monate eines vorläufigen Haushalts nach sich ziehen. Immerhin hat die schwarz-rote Regierung mit ihrer heutigen Einigung zum Reformpaket gezeigt, dass das politische Fahrwasser für die (Bau-)Wirtschaft offenbar ruhiger zu werden verspricht – ruhiger auf jeden Fall, als es beim von Streitschwankungen geprägten Ampelbündnis gewesen ist.
Foto: Christian Schönberg
von Christian Schönberg