von Gastautor

Digitalisierung braucht sinnvolle Schnittstellen

Gastbeitrag von Dipl.-Bauingenieur Frank Kocher, Inhaber der Firma isl-kocher

DBU/Berlin - Die Nutzung von BIM im Straßen– und Tiefbau unterscheidet sich heute gegenüber der Anwendung von BIM im Hochbau dadurch, dass moderne Bauunternehmen Modelle aus zur Verfügung gestellten 2D-Plänen entwickeln, um sie für ihre innerbetriebliche Kalkulation, Arbeitsvorbereitung und Abrechnung zu nutzen. Dass Planer bereits 3D-Modelle liefern und an Auftragnehmer – sprich an Straßen- und Tiefbauunternehmen - übergeben, kommt nur in wenigen BIM-Pilotprojekten vor. Während das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) das modellbasierte Arbeiten erfreulicherweise forciert, wird es im kommunalen Bereich leider vermutlich noch viele Jahre dauern, bis Modelle von Planern an Ausführende übergeben werden.

Modelle und digitale Prozessketten
Aufgrund dieser Situation spielt im Straßen- und Tiefbau ein möglicher Datenaustausch der Modelle bei weitem nicht die Rolle wie im Hochbau. Aus meiner Sicht ist es zwar wichtig, Schnittstellen wie IFC und OKSTRA für einen Austausch der Modelle fit zu machen. Eine wesentliche Wertschöpfung kann man aber bei der derzeitigen Situation nicht erwarten. Wo es keine Modelle gibt, kann auch nichts übertragen werden. Deshalb ist es für moderne Bauunternehmen derzeit viel wichtiger, aus selbst erstellten Modellen heraus digitale Prozessketten anzustoßen, die interne Prozesse verschlanken und rationalisieren.

Um Straßen- und Tiefbauer bei diesen Effizienzsteigerungen zu unterstützen, arbeiten die Programmierer meines Softwarehauses isl-kocher derzeit an einer Anbindung des Kanalmoduls des isl-baustellenmanager an die Internetplattform schacht24.de.
Das Portal wird vom Betonwerk Bieren mit Sitz in Bad Oeynhausen in Nordrhein-Westfalen betrieben und ermöglicht Nutzern die leichte Online-Bestellung von Schächten. Dazu wird auch ein passender Konfigurator angeboten.
Ziel der geplanten Kanalmodul-Anbindung ist es, dass Kunden von isl-kocher zukünftig per Knopfdruck die Liste der Bauteile pro Schacht inklusive der Preise für ihre Kalkulation erhalten. In frei definierbaren Zeitabschnitten - die in den meisten Fällen den Bauabschnitten gleichen werden – können die benötigten Bauteile online und ohne zusätzlichen Mehraufwand bestellt werden.

Der Nutzen solcher digitaler Prozessketten liegt auf der Hand: Kein Aufwand mehr für manuelle Datenaufbereitung, Fehlerquellen werden minimiert und Nutzer erhalten eine sofortige Rückmeldung ohne „Postweg“.

Während gute elektronische Kanalsysteme die Zeichnungen für die Schachtunterteile mit den angehenden Rohren – sogenannte Schachtuhren – automatisiert aus dem Modell erzeugen, werden heute vielfach noch Bestellformulare von Hand ausgefüllt und mit Skizzen ergänzt. Das Optimierungspotential ist hoch.

Daten-Schnittstellen sind wichtig
Die meiner Meinung nach wichtigste Daten-Schnittstelle im Straßen- und Tiefbau ist jedoch die zur Übergabe der Mengen zwischen modellbasiertem oder CAD-System sowie dem eigentlichen Abrechnungssystem (AVA oder ERP-System), in dem früher von Hand abgerechnet wurde.
Für den Datenaustausch werden heute, soweit solche Systeme nicht integriert sind, Schnittstellenformate wie die Datenart 11 aus der REB 23.003 oder die GAEB X31 verwendet. Diese Formate wurden ursprünglich für den externen Datenaustausch von Abrechnern zu Prüfern konzipiert und haben klar auffallende Defizite. Vor allem dann, wenn man diese im Straßen- und Tiefbau anwendet. Denn beide Formate unterstützen in den Rechenformeln nur Werte mit 7 Zeichen plus Komma, das ist für die Gauss Krüger oder UTM Koordinaten zu kurz.
Jedoch: GAEB X31 ist derzeit mein Favorit, weil lange Ordnungszahlen möglich sind. Der Standardleistungskatalog ist zwar begrenzt auf neun Stellen, aber nicht jeder Ausschreibende im Straßen- und Tiefbau hält sich an diese Strukturen. Zusätzlich unterstützt X31 über die Datenart 11 hinaus mit der neusten Erweiterung vom Bundesverband Bausoftware (BVBS) auch lange Kommentare bis 56 statt neun Zeichen. Zudem können Mengen einzelnen Kostenträgern zugewiesen werden, was insbesondere bei Baustellen mit Kommunen als Bauherren wichtig ist. Leider sind aber auch bei dem Format X31 die Rechen-Werte aus schwer nachvollziehbaren Gründen auf sieben Stellen begrenzt. Einzig die Kompatibilität zu REB DA11 rechtfertigt diese Einschränkung. Die sieben Stellen sind in Relikt aus der EDV-Steinzeit, die Datenart 11 war ja 1979 ein Lochkartenformat und hat sich in der Anzahl der 80 Zeichen pro Zeile auch in der Version 2009 nicht geändert. Und das, obwohl es dafür aus meiner Sicht keinen nachvollziehbaren Grund gibt, außer möglichst wenig an den Schnittstellen ändern zu müssen.

Neutrale offene Schnittstelle ist wünschenswert
Für Außenstehende nicht nachvollziehbar ist weiterhin die Tatsache, dass sich REB und GAEB bei den Mengennachweisen einen Wettbewerb liefern und die Bundesrepublik Deutschland nicht auf einen einheitlichen Standard setzt, der die Belange von Hoch- sowie Straßen- und Tiefbau gleichermaßen berücksichtigt. Beide Formate haben insbesondere den großen Nachteil, dass bei der Datenübergabe leider der Bezug zum Bauteil im BIM–Modell verloren geht. Lediglich der Name des Bauteils kann im Kommentartext übergeben werden und so einen Hinweis für den Prüfer geben. Ein automatischer Abgleich ist bei bereits übergebenen Mengenansätzen nach Änderungen am Modell jedoch nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich.

Ich bin davon überzeugt, dass für den künftig immer wichtiger werdenden Datenaustausch zwischen modellbasierten Systemen und klassischen AVA- oder ERP-Systemen eine neutrale, offene Schnittstelle geschaffen werden muss. Nach heutigem Stand würde es sich aus meiner Sicht anbieten, die X31 entsprechend weiterzuentwickeln. Da die Formeln in der X31 denen aus der REB entsprechen, wäre es für AVA-Systeme leicht möglich, die aus dem Modell per X31 übernommen Mengen als REB-Datenart 11 wieder zu exportieren.

Und so gelingt auch eine Einordnung der oben geschilderten Anbindung bei der Bestellung von Schachtbauteilen. So erfreulich die neue Funktion für die Kunden meines Unternehmens isl-kocher ist, aus Sicht der Entwicklung ist es lediglich eine Übergangslösung.Denn wenn jedes Bausoftwarehaus am Markt individuelle Anpassungen an jedes Betonfertigteilwerk in Deutschland programmieren würde, wäre die „babylonische Sprachverwirrung“ komplett und der volkswirtschaftliche Schaden groß. Auch für Prozesse wie Preisanfrage und Bestellung gibt es GAEB-Formate, die aber das Arbeiten mit Modellen bisher noch nicht unterstützen.

Mein Fazit:
Für moderne Baufirmen bringt das Arbeiten mit Modellen im Straßen- und Tiefbau schon heute einen großen Nutzen bei der Optimierung ihrer internen Prozesse. Um eine flächendeckende Digitalisierung aller Prozessketten wie Preisanfragen und Bestellungen zu realisieren, muss allerdings von den zuständigen Gremien noch viel Arbeit geleistet werden. Ziel muss es dabei sein, heutige Austauschformate an das modellbasierte Arbeiten anzupassen. Der alleinige Focus auf IFC für den Austausch von Modellen greift meiner Meinung nach zu kurz.

von Gastautor

Erschienen in Ausgabe: Seite 18| Dezember 2018

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