von

Diesel-Krise: Bau fürchtet lange Umwege zur Baustelle

Wegen Fahrverboten in Großstädten fordern Verbände mehr Unterstützung der Politik – Nachrüstungen beim Handwerk will der Bund finanzieren

DBU/Berlin – Angesichts einer stetig steigenden Zahl von Fahrverboten in Großstädten für ältere Diesel-Fahrzeuge fordert die gesamte Baubranche einen stärkeren Rückhalt der Bundesregierung. Es könne nicht angehen, dass Kommunen Baufahrzeugen den Weg zu den innerstädtischen Baustellen versperre, argumentiert der Zentralverband des deutschen Baugewerbes. Das Bundesverkehrsminis-terium hat Mitte November nun zunnächst zugesagt, die Nachrüstung von fast einer Million Diesel-Nutzfahrzeuge bei Handwerk und Lieferdiensten zu fördern. Über den konkreten Umfang der staatlichen Finanzierung wird indes noch gestritten.

In immer mehr deutschen Großstädten wird es noch im Jahr 2019 wegen zu hoher Luftverschmutzung zu Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge kommen. Mit der A 40 in Essen wird dabei erstmals sogar eine Autobahn betroffen sein. Nach einer Ankündigung der Klage führenden Deutschen Umwelthilfe sollen sukzessive nahezu alle deutschen Wirtschaftszentren folgen. Unmittelbar von Fahrverboten betroffen sind laut einer Umfrage der Bundesvereinigung mittelständische Wirtschaft (BVMB) dadurch etwa zwei Drittel mittelständischer Unternehmen mit ihrem Fuhrpark – auch aus der Baubranche.

Proteste der Verbände, dass die Diesel-Fahrverbote insbesondere für kleinere Unternehmen existenzbedrohliche Auswirkungen haben, zeigen nun Wirkung. Zum einen hat das Bundesverkehrsministerium angekündigt, zumindest bei Transportern von Handwerkern die Umrüstung zu bezahlen. Zum anderen kündigte kurz vor den Landtagswahlen in Hessen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an, sich in Deutschland für eine Heraufsetzung des EU-weit verbindlichen Grenzwertes für Stickstoffdioxyd von 40 auf 50 µg/m3 stark zu machen. Die Baubranche fühlt sich trotz einer glänzenden Konjunktur massiv unter Druck gesetzt. „Statt pauschal Fahrverbote auszusprechen, müssen die Kommunen jetzt schnell Regelungen finden, wie die Ausnahmen für die Wirtschaft umzusetzen sind, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich vorsieht. Wir brauchen umgehend Rechts- und Planungssicherheit, damit sich die Bauunternehmen auf die neue Rechtslage einstellen können. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass wir in eine Situation hineinschlittern, in der die Bautätigkeit in unseren Innenstädten ernsthaft gefährdet ist“, so Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Laut Babiel sei eine kurzfristige Umrüstung der Fuhrparks der meisten Bauunternehmen, die zu rund 90 Prozent aus Dieselfahrzeugen bestehen, technisch nur bedingt möglich und sehr kostenintensiv. Die Umrüstung pro Lkw koste rund 10.000 Euro. Derzeit erfüllten gerade einmal fünf Prozent der Lastkraftwagen die Euro-6-Norm. „Wir setzen auf die Weitsicht der Kommunen bei der Umsetzung des Urteils, den Bauunternehmen nicht den Weg zur innerstädtischen Baustelle zu versperren“, sagte Babiel. Auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) warnt schon seit längerem vor Diesel-Fahrverboten und fordert, Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. Die vom Bund bezahlte Umrüstung von Transportern beim Handwerk begrüßt man. „Gebaut wird überall – die Erreichbarkeit der Innenstädte ist eine Voraussetzung für die Geschäftstätigkeit unserer Betriebe. Diese sind aber auch überregional aktiv, daher muss der Anspruch auf Nachrüstung für Handwerks- und Lieferfahrzeuge deutlich weiter gefasst werden, als es in der jetzigen Beschränkung auf wenige Städte und angrenzende Landkreise vorgesehen ist,“ sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa.

ZDB-Präsident Reinhard Quast brachte beim Baugewerbetag das Missverhältnis von Nutzen und Wirkung von Diesel-Fahrverboten pointiert auf den Punkt. Für ihn geht in diesem Fall die Umweltpolitik in Deutschland in „eine falsche Richtung“ mit den Diesel-Fahrverboten. „Wir sind das einzige Land auf der Welt mit Dieselfahrverboten. Und das obwohl wir die modernsten Fahrzeuge auf der Straße haben. 90 Prozent unseres Fuhrparks sind Dieselfahrzeuge. Sollen sie ernsthaft aus den Innenstädten ausgesperrt werden oder große Umwege fahren müssen? Komme gerade aus Südamerika. Was meinen Sie, was da so alles an alten Dieselfahrzeugen unterwegs ist.“ Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Oliver Luksic, kritisierte indes im „Handelsblatt“, dass die Bundesregierung noch keine Angaben zu konkreten Anforderungen für die vorgesehene Förderung der Nachrüstungen oder zu den Kosten mache. „Unklarheit über die möglichen Kosten ist angesichts von fast einer Million betroffenen Fahrzeugen nicht hinnehmbar“, sagte er. Das vom Bund verantwortete „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in den Städten“ hat in erster Linie zunächst vorgesehen, in den von Fahrverboten betroffenen Städten die Nachrüstung schwerer kommunaler Nutzfahrzeuge wie bei der Müllabfuhr zu finanzieren. Die Hardware-Nachrüstung von Fahrzeugen zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen Gewicht bei Handwerk und Bau soll aber nur zu 80 Prozent gefördert werden Den Rest soll die Automobilindustrie tragen. Auf diese Weise soll die vom Bau geforderte 100-prozentige Kostenübernahme gewährleistet werden. Die Einführung einer blauen Plakette lehnen indes sowohl Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) als auch die Baubranche ab.

von

Erschienen in Ausgabe: Seite 3| November 2018

Zurück