Elten -
Der Sicherheits-Schuster
Sicherheitsschuh-Hersteller Elten ist ein Branchen-Riese. Das Unternehmen wächst seit Jahren. Qualität und modernes Design bringen den Erfolg.
DBU/Uedem/Berlin – Mitten im niederrheinischen Uedem steht das „Schusterdenkmal“. Seit 1963 erinnert die Metall-Skulptur an die große Tradition der ortsansässigen Schuhindustrie. Das erfolgreichste Kapitel dieser Tradition hat der Schuhhersteller Elten geschrieben. Als das Familienunternehmen 1910 in Uedem gegründet wurde, waren der Ort und die Region „Niederrhein“ ein Ballungsraum der Schuhindustrie. Doch die regionale Blüte der Branche ist längst vorüber. Heute ist der Sicherheitsschuh-Spezialist Elten das letzte große Schuhunternehmen der Region – ein wahrer Branchenleuchtturm, mit europaweiter Ausstrahlung.
Egal ob Bau, Industrie oder Logistik. In vielen Bereichen der Wirtschaft läuft (im wahrsten Sinne des Wortes) ohne Sicherheitsschuhe nichts. Von der aktuell dauerboomenden Wirtschaft in Deutschland profitiert auch Sicherheitsschuh-Hersteller Elten. Laut Marketing-Chefin Denise Pollex hat das Unternehmen seine Belegschaft seit 2007 mehr als verdreifacht. Heute arbeiten 280 Menschen bei Elten. In manchen Abteilungen im Drei-Schicht-Betrieb. Auch die Produktions- und Verkaufszahlen kennen seit Jahren nur eine Richtung: Nach oben. Mittlerweile verlassen jährlich mehr als 2,1 Millionen Schuh-Paare das Werk. Die Tagesproduktion liegt allein im Uedemer Werk bei ungefähr 6.000 Paaren.
Ein wichtiger Bestandteil des Unternehmenserfolges ist das moderne Design der Elten-Schuhe: sportlich und leger, mit leuchtenden Farben. Viele Modelle des Herstellers erscheinen auf den ersten Blick wie modische Freizeit-Schuhe. Die Zeiten, in denen Sicherheitsschuhe stets klobig und schwarz waren, sind bei Elten längst vorüber. „Aber natürlich haben wir auch klassische schwarze Modelle in unserem Sortiment“, so Marketing-Chefin Pollex. Es gebe eben Unternehmen, denen es wichtig sei, dass auf den ersten Blick erkennbar ist, ob ihre Mitarbeiter Sicherheitsschuhe tragen oder nicht.
Design aus Italien
Das Design der Elten-Schuhe stammt aus dem Mutterland der Schuhmode – aus Italien. Das Unternehmen arbeitet mit einem in Italien ansässigen Schuh-Designer. Die Entwürfe aus Italien landen bei Elten direkt auf den Rechnern der Abteilung „Produktmanagement“. Hier ist es die Aufgabe von Michael Tünnissen, Modelleur, die Entwürfe in technische Schuhmuster umzuwandeln. Das heißt, das Design wird mit Hilfe einer Software in Schnittmuster für die einzelnen Bestandteile des Schuhs übersetzt. Mit einem weiteren Mausklick liegen die Schnittmuster für verschiedene Schuhgrößen vor. „Unsere Modellserien gibt es für Herren in der Regel von 40 bis 48 und für Damen in den Größen 35 bis 42“, so Marketing-Chefin Pollex. „Aber bei einigen Serien werden auch erweiterte Größengänge, zum Beispiel bis Größe 52, angeboten.“
„Ein gängiger Sicherheitsschuh besteht in der Regel aus 30 bis 40 Teilen“, so Modelleur Tünnissen. Spezielle Sicherheitsschuhe, wie zum Beispiel Feuerwehr-Stiefel, setzen sich aber auch schon mal aus 70 bis 80 Teilen zusammen.
Sind die Schnittvorlagen für ein neues Schuhmodell erstellt, folgt der nächste Schritt: Der erste Prototyp wird angefertigt.
Die Werkstatt der Prototypen-Fertigung erinnert an das Kostüm-Atelier eines Theaters. In mannshohen Regalen stapeln sich Ballen verschiedenster Stoffe: Gedeckte und leuchtende Farben, einfarbige und gemusterte Stoffe, mit glatten und mit strukturierten Oberflächen. Ähnlich groß ist die Auswahl an Ledersorten, die die Prototypenfertigung von Elten vorrätig hält. Dickes Leder, dünnes Leder, weiches oder raues. Dazu finden sich neben klassischen Leberfarben wie braun und schwarz auch Leder in ungewöhnlicheren Farben wie neon-gelb, grün oder lila.
Die Stoff- und Lederteile für die Prototypen-Schuhe werden bei Elten in Uedem per Hand ausgeschnitten. Mit Schablone und einem Zuschneidemesser schneidet ein erfahrener Mitarbeiter die Einzelteile zurecht.
In der späteren Serienproduktion werden das Leder und die Stoffe maschinell zugeschnitten beziehungsweise gestanzt. „Aber für die Prototypenfertigung wäre das Anfertigen der Stanz- und Schnitt-Schablonen einfach zu teuer“, sagt Gebietsverkaufsleiterin Martina Ingenerf.
Bei Prototypen herrscht Einheitsgröße. „Jeder Prototyp wird in der Größe 42 hergestellt“, so Modelleur Michael Tünnissen. „Das ist die Mustergröße“. Er berichtet weiter, dass anschließend ein bestimmter Kollege aus der kaufmännischen Verwaltung des Unternehmens in die Werkstatt der Prototypenfertigung gerufen wird. Der Kollege hat einen „perfekten 42er-Fuß“ und ist somit prädestiniert dazu, die Prototypen zu testen. Er ist der „Testträger“. „Am aller wichtigsten ist, dass es keine Druckstellen gibt“, so Tünnissen.
Besteht der Prototyp den Test, startet die Serienproduktion. Ansonsten wird nachgebessert.
Vom ersten Design-Entwurf bis zum fertigen Schuh vergehen im Regelfall sechs Monate. „Es kann aber auch schon mal bei Adaptionen oder kleinen Veränderungen je nach Produktreihe nur sechs Wochen dauern“, so Martina Ingenerf.
Ähnlich wie die Entwicklungszeit kann auch die Verweildauer eines Modells im Sortiment sehr unterschiedlich sein. „Wir haben einige Evergreens, die laufen schon seit über 10 Jahren erfolgreich am Markt“, so Marketingleiterin Denise Pollex.
Doch nicht jedes Unternehmen will seine Mitarbeiter mit Sicherheitsschuhen „von der Stange“ ausrüsten. Einige Betriebe wünschen sich für ihre Mitarbeiter „firmenindividuelle“ Sicherheitsschuhe – zum Beispiel mit dem Logo des Unternehmens oder mit dem eigenen Firmenschriftzug. Und auch in diesen Fällen ist Elten der passende Ansprechpartner. Das Unternehmen bietet auch individuell gestaltete Sicherheitsschuhe – ab einer Mindestabnahmemenge von 500 Paar.
Gefragt nach dem Erfolgsgeheimnis des Unternehmens verweist Denise Pollex auf die Eigentümerfamilie van Elten. Diese habe stets früh die Zeichen der Zeit erkannt und verstanden, wie Trends funktionieren und man einen Markt erschließt.
Doch egal, welcher Modetrend gerade bei Sicherheitsschuhen vorherrscht, bestimmte Kriterien muss jeder Elten-Schuh erfüllen. Neben der bekannten obligatorischen Stahlkappe müssen Sicherheitsschuhe für den Bau auch „durchtritthemmend“ sein. Das heißt, dass ein Nagel, auf den man tritt, nicht die Sohle durchdringen darf. Um das zu erreichen, werden die Schuhe in der Regel mit einer Zwischensohle aus Metall oder speziellen Textilfasern versehen.
Sicherheit und Qualität brauchen Kontrolle. Hierzu betreibt Elten direkt in seinem Produktionsgebäude ein Kontroll-Labor, wo unter anderem die Wasserundurchlässigkeit bestimmter Stoffe geprüft wird. Aber auch der bekannte „Kappentest“ findet hier statt. Bei diesem Test fällt ein zwei Kilogramm schwerer Metall-Keil aus ein Meter Höhe auf die Mitte einer Stahl-Sicherheitskappe. Beim Aufprall darf die Stahlkappe nur bis zu einer gesetzlich vorgeschrieben Höhe nachgeben. Das wird kontrolliert, indem vor dem Versuch ein kleiner Plastilinzylinder in der Kappe platziert wird, der sich beim Aufprall verformt. Ist der Plastilinzylinder nach dem Test kleiner als 14 Millimeter, hat die Kappe den Test nicht bestanden.
Ähnlich spektakulär ist der Dauerbelastungstest für Sohlen. Hierbei wird eine Sohle an drei bestimmten Stellen punktiert. Anschließend wird die Sohle von einer Maschine 30.000-mal gebogen, um Laufleistung zu simulieren. Eine wirklich enorme Belastung für jede Schuhsohle. Doch am Ende des Tests dürfen sich die Punktionen nicht zu Rissen vergrößert haben. Nur dann erfüllt die Sohle die Qualitätsstandards von Elten und die entsprechende Charge darf in der Produktion verarbeitet werden.
Tradition und Zukunft
Elten ist bis heute ein Familienunternehmen und wird in vierter Generation von den Cousins Heiner van Elten und Jörg van Elten geführt. Und bis heute investiert das Unternehmen kräftig in seine Zukunft. Aktuell bildet Elten acht junge Fachkräfte aus, unter anderem im Lehrberuf eines Schuhfertigers.
Ausgebildete Schuhfertiger arbeiten nach ihrer Lehre in der Produktion von Elten. Hier stehen zum Teil riesige Maschinen. Am markantesten sind die vier Besohlungsautomaten. Diese kreisrunden Maschinen sind ringsum mit Schuhleisten aus Metall versehen und arbeiten im Zusammenspiel mit freistehenden Robotern. Über die Leisten werden die fertiggenähten Schuhoberteile gezogen, um ihnen eine Sohle anzuspritzen. Für die einzelnen Schritte dieses Produktionsabschnittes dreht sich der Besohlungsautomat immer ein Stück weiter. Für jedes Sohlenmodell muss in jeder Schuhgröße eine spezielle Sohlenspritzform hergestellt werden.
Insgesamt belaufen sich die Investitionskosten, die vor dem Produktionsstart einer Modellserie anfallen, auf mehrere Hundertausend Euro.
Auch die Besohlungsautomaten stellen enorme Investitionswerte dar. Den neusten hat Elten erst im Jahr 2014 angeschafft. Damals im Rahmen eines Investitionsprogramms in Millionenhöhe.
Das starke Wachstum der letzten Jahre hat dazu geführt, dass die räumlichen Kapazitäten des Unternehmens am Stammsitz in der Uedemer Kernstadt nicht mehr ausreichen. Darum wurde im Jahr 2014, im Gewerbegebiet der Stadt, das Logistikzentrum des Unternehmens um eine „Finish-Halle“ erweitert. In dieser Halle erhalten die Schuhe ihren „letzten Schliff“. Und das ist fast wörtlich zu verstehen. Jeder einzelne Schuh wird in der Finish-Halle per Hand nachbearbeitet. Hierbei werden zum Beispiel kleine überschüssige Gummireste, wie sie beim Anspritzen der Sohlen unvermeidbar sind, mit feinen Handwerkzeugen entfernt. Bei jedem einzelnen Sicherheitsschuh wird elektronisch überprüft, ob die Stahlkappe vorhanden ist. Kleine Logos werden angeklebt, mit einer Druckluftspritze wird Staub aus den Sohlenrillen geblasen. Und so weiter. Am Ende werden die Schuhe verpackt. Und das alles per Hand.
Modernste Logistik
Vom Logistikzentrum des Unternehmens aus, wo ungefähr 500.000 Paar Schuhe lagern, verschickt Elten seine Sicherheitsschuhe nach ganz Europa. Das Unternehmen sieht den Kontinent als seinen Stammmarkt. Doch tatsächlich ist Elten speziell im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich.
Wie Marketing-Chefin Pollex bestätigt, erwirtschaftet das Uedemer Unternehmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich 85 Prozent seines Gesamtumsatzes. Die Produkte gelten jedoch in ganz Europa als Benchmark der Branche.
Erschienen in Ausgabe: Juni 2017 | Seite 37