von Redaktion
„Der Bau hat seine besten Zeiten vor sich“
Gastbeitrag: Karl-Heinz Strauss, CEO der Porr AG nennt Lösungen zum Gewinnen von Nachwuchskräften
DBU/Berlin – Bauen ist Zukunft. Mehr denn je sorgt die Bauindustrie für die Infrastruktur von morgen. Ob Tunnel- oder Brückenbau, Wohnbau- oder Industrie-Projekte – unsere Branche boomt. Dieses zukunftsweisende Bild mit wirklich vielen spannenden (Groß-)projekten hat die öffentliche Einstellung gegenüber der Branche allerdings noch nicht erreicht. Ganz im Gegenteil. In der öffentlichen Wahrnehmung fristet der Bau eher ein Schattendasein.
Dabei liegt das Baugewerbe sowohl bei der Produktion als auch bei der Beschäftigung noch vor so wichtigen Industriebereichen wie dem Fahrzeugbau, dem Maschinenbau oder der Chemischen Industrie. Die Bauwirtschaft ist und bleibt eine Schlüsselbranche für Deutschland. Das belegen auch die Kennzahlen: 2017 trug das Baugewerbe 4,9 % zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung bei. Tendenz weiter steigend. Der Anteil des Baugewerbes an der gesamten Beschäftigung lag bei 5,6 %. Allein im vergangenen Jahr hat die Zahl der Beschäftigten in der Branche um zehn Prozent auf rund 810.000 zugelegt. Dennoch droht auf vielen Baustellen Stillstand. Die Ursache sind vor allen Dingen die fehlenden Arbeitskräfte.
Fakt ist, dass die Arbeitslosigkeit in der Branche noch nie so niedrig wie derzeit war. Die Kehrseite der Medaille: Bauingenieurinnen und -ingenieure sowie Baufacharbeiterinnen und -arbeiter werden händeringend gesucht.
Der Mangel an verfügbaren Fachkräften entwickelt sich im deutschen Baugewerbe immer mehr zum Geschäftsrisiko. Drei von vier Bauunternehmen sehen nach einer aktuellen Studie im Facharbeitermangel das „höchste Risiko“ für ihren Betrieb. Alle anderen Risiken rangieren unter ferner liefen. Die Fakten und Perspektiven sprechen also eindeutig für einen Arbeitsplatz am Bau.
Der legendäre Slogan „Sei schlau, geh zum Bau“ ist damit derzeit so treffend wie schon lange nicht. Der Bauindustrie ist es aber bisher noch nicht ausreichend gelungen, die Attraktivität und die exzellenten Perspektiven von Bauberufen den jungen Menschen zu vermitteln. Unsere Branche ist daher gefordert, neue Wege bei der Arbeitskräftebeschaffung zu beschreiten.
Davon nimmt sich die PORR-Gruppe nicht aus, ganz im Gegenteil. Für eine langfristig zukunftsfeste Personalstruktur bilden wir den Nachwuchs selbst aus. In der PORR-Gruppe sind aktuell 300 Auszubildende tätig, eine zweistellige Zahl davon sind Flüchtlinge. Für diese Gruppe wünsche ich mir eine gesetzliche Lösung, damit Flüchtlinge in Ausbildung, die sich bewährt haben, nicht abgeschoben werden müssen. Deshalb unterstütze ich die Initiative in Österreich „Ausbildung statt Abschiebung“. Wenn jemand die Lehre gut absolviert und seine Leistung bringt, dann sollte er in Österreich bleiben dürfen – und Gleiches sollte natürlich auch für geflüchtete Menschen in Deutschland gelten. Darüber hinaus muss der Bau bei der Nachwuchs- und Mitarbeitergewinnung innovative Angebote schaffen.
So hat die Porr erst kürzlich als Pilotprojekt einen Ausbildungscampus für die interne Aus- und Weiterbildung als Antwort auf Fachkräftemangel und im Wettbewerb um die besten Talente eingeweiht. Auch für Deutschland planen wir einen solchen Ausbildungscampus. Das zusätzliche Schulungsangebot reicht von Facharbeiterausbildung über Sicherheits- und Führungskräfteschulungen bis zu internen Schulungen und umfasst praktische und theoretische Inhalte, die eine Baustelle allein nur schwer vermitteln kann.
Auch den Frauenanteil in den Bauberufen müssen wir zukünftig durch gezielte Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf systematisch erhöhen. Dabei profitieren wir in diesem Zusammenhang vom Mega-Trend der Digitalisierung.
Der Einsatz moderner Technologien macht das vielschichtige Berufsbild auf dem Bau zunehmend auch für Frauen interessanter und schafft ausgezeichnete berufliche Perspektiven vor allem für junge Ingenieurinnen. Die Digitalisierung eröffnet neue Formen des Arbeitens. Am Bildschirm im Home-Office und dabei trotzdem im engen Kontakt mit allen anderen Beteiligten in der Administration beziehungsweise auf der Baustelle.
Als Fazit bleibt: Die Bereitschaft junger Menschen, sich für eine Karriere „auf dem Bau“ zu entscheiden, ist noch zu schwach ausgeprägt. Es liegt an uns als Akteure der Bauindustrie, die hervorragenden Zukunftsaussichten herauszustellen. Denn keine Frage: Der Bau hat seine besten Zeiten noch vor sich.
von Redaktion
Erschienen in Ausgabe: Seite 4| Dezember 2018