Innen & Außen - von Redaktion

Begehbarer Dachgarten im Mittelpunkt der neuen Konzernzentrale

Erste Group-Hauptquartier in Wien

Krauchenwies-Göggingen – Mit Beginn des Jahres hat die Erste Group, einer der größten Finanzdienstleister in Zentral- und Osteuropa, nach fast vierjähriger Bauzeit begonnen, ihr neues Headquarter (Erste Campus) auf dem ehemaligen Gelände des Wiener Südbahnhofs am Areal des Quartier Belvedere, zu besiedeln. Das neue Viertel wird ein urbaner Mix aus Firmenniederlassungen, Wohnhäusern, Grünflächen, Kultureinrichtungen, Museen, Geschäften und Restaurants. Mit einer Grundstücksfläche von 25.000 Quadratmeter und einer Bruttogeschoßfläche von 165.000 Quadratmeter fügt sich der Erste Campus durch seine offene, geschwungene Architektur wie selbstverständlich in den historischen und naturräumlichen Kontext der Stadt ein. Die Erdgeschoßzonen sind öffentlich zugänglich und garantieren durch ihr vielfältiges gastronomisches Angebot, dass sich der Campus der üblichen Abschirmung von Bankzentralen entzieht. Beim Bau selbst gab es weder beim Zeitplan, noch beim Budget Überschreitungen oder Verzögerungen. Die gesamten Baukosten blieben mit rund 300 Mio. Euro sogar unter den Vorgaben.

Die Vision der Architekten
Geplant wurde das neue Headquarter von Henke Schreieck Architekten aus Wien. Nach den Plänen der Architekten soll der Erste Campus die Stadt mit der Natur verbinden, indem die organisch geschwungene Form den Landschaftsgarten mit allen Arbeitsbereichen des Erste Campus verbindet und auf allen Ebenen des künftigen Headquarters das Licht durch großflächige Fensterfassaden fällt.

Die geschwungene Architektur des Gebäudes schafft eine Offenheit, die einladend und naturverbunden auf die Menschen, die sich auf dem Erste Campus aufhalten, wirken soll. Den Architekten Hencke und Schreieck war es wichtig, durch die Integration von Grünräumen eine urbane Stadtlandschaft zu schaffen und so für eine motivierende Atmosphäre und Wohlbefinden zu sorgen. Das Gebäude wurde zudem durchgängig barrierefrei geplant.

„Die Vision für den Erste Campus ist eine identitätsstiftende, transparente, zum Stadtraum geöffnete, naturverbundene Architektur, die zur Belebung und Aufwertung des Umfeldes beiträgt und bestmögliche Arbeitsplätze für alle Mitarbeiter schafft“, so Architektin Marta Schreieck.

Der Architekturwettbewerb wurde im September 2007 in rund 30 europäischen Ländern ausgeschrieben. Wichtige Kriterien waren dynamische und harmonische Verbindung von Architektur, Nutzerfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit sowie ökologische Nachhaltigkeit. Aus mehr als 200 Architekten wurden 14 Teams zur Ausarbeitung eingeladen und im September 2008 wählte die international besetzte Jury das Siegermodell von Henke Schreieck Architekten aus.

Zentralisierung und Bürokonzept für eine neue Unternehmenskultur
Bei dem Bau des Erste Campus stand das ökonomische Ziel im Vordergrund, die Erste Group von mehr als 20 über ganz Wien verteilten Niederlassungen auf einen einzigen Standort zusammenzuführen. Dabei sollen Synergien besser genutzt und den Mitarbeitern ein Arbeitsplatz auf aktuellem technischen Stand geboten werden.

„Der Erste Campus ist mehr als ein modernes Bürogebäude: er bietet Platz für Mitarbeiter, die im Sinne ihrer Kunden mehr wollen; die flexibler sein und auf Kundenwünsche rascher reagieren wollen. Unser Ziel war es, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der unsere Mitarbeiter über Organisationsstrukturen hinweg unkompliziert zusammenarbeiten und gemeinsam Ideen entwickeln können“, so Andreas Treichl, Vorstandsvorsitzender der Erste Group.

Nachhaltigkeit am Erste Campus: Gold-Zertifizierung nach DGNB
Bereits bei der Planung und der Auswahl der Materialien wurde großen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit gelegt. Beispielsweise stammen die Hölzer für die Fassade aus nachhaltiger Holzwirtschaft aus heimischen oder mitteleuropäischen Wäldern und bei den Bauarbeiten wurde zu 100 Prozent grüner Strom bezogen.

Der Erste Campus wurde im Rahmen der Gebäudezertifizierung nach dem DGNB-System von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobi­lienwirtschaft (ÖGNI) geprüft und mit der höchsten Stufe „DGNB Gold“ ausgezeichnet.
• Das Gebäude ist barrierefrei und wird durchgängig behindertengerecht eingerichtet,
• Betonkernaktivierung für Heizung/Kühlung gespeist aus Geothermiepfählen in Verbindung mit dem Wiener Fernwärme beziehungsweise -kältenetz,
• Doppelfassade mit außenliegendem Sonnenschutz und öffenbaren Fenstern,
• Temperaturabsenkung in der Nacht,
• energiesparende LED Beleuchtung,
• Energierückgewinnung bei den Aufzugsystemen.

Begrünte Dächer auf vier Ebenen
Einen weiteren wichtigen Bestandteil des nachhaltigen Bauens bilden auch die verschiedenen, großflächigen Dachbegrünungen auf den verschieden Dachebenen – von der begrünten Tiefgarage über das 2. und 9. bis zum 12. Obergeschoss. Dabei sind alle Dachflächen der neuen Konzernzentrale mit insgesamt etwa 14.000 Quadratmeter begrünt.

Die Planung der Dachbegrünungen lag in den Händen der renommierten Landschaftsarchitekten Atelier Auböck + Kárász aus Wien, die über umfangreiche Erfahrungen durch verschiedene Projekte verfügen. Unterstützt wurden die Planer durch die Landschaftsarchitektin Gundula Dyk, die den europaweit tätigen Systemanbieter für Dach- und Fassadenbegrünung Optigrün international AG in Öster­reich vertritt.

Mittelpunkt und Blickfang zugleich stellt der einseh- und begehbare etwa 6.000 Quadratmeter große Dachgarten auf dem zweiten Obergeschoss, dem sogenannten „Gartendeck“, dar. Geschickt umgeben von den geschwungenen Büroneubauten sind viele Büros in Richtung des Landschaftsdachs ausgerichtet und die Mitarbeiter haben einen freien Blick auf die Begrünung.
Der Dachgarten ist klar strukturiert und wird optisch dominiert durch Rasen, Sträucher, Bäume und Verkehrsflächen aus Plattenbelägen. Die Wege sind so angelegt, dass sich die Rasen-Baum-Flächen bequem umrunden lassen und Blockstufen immer wieder zum Verweilen einladen. Auch die große Verkehrsfläche im Zentrum der Dachfläche ist durchsetzt durch Baumbestand, so dass selbst im Sommer ein Aufenthalt im Freien gut möglich ist.

Doch nicht nur tagsüber, sondern auch zu Tages- und Jahreszeiten mit weniger Tageslicht lässt sich die Dachlandschaft nutzen, da eine Vielzahl an LED-Lampen für ausreichende Beleuchtung sorgen. So wird das begrünte Dach eine Naherholungsfläche, die das ganze Jahr den Mitarbeitern in den Pausen zur Verfügung steht, um sich schnell die Füße zu vertreten und auf andere Gedanken zu kommen.

Bei Baumpflanzungen werden höhere Substrataufbauten notwendig und ab etwa 40 Zentimeter Intensivsubstrat eingebaut werden, um unerwünschte anaerobe Zersetzungsprozesse zu vermeiden. Man spricht dann auch von einer vierschichtigen Bauweise (Dränage, Filterschicht, Untersubstrat, Vegetationstragschicht). Um noch mehr Gewicht einzusparen wurde Schaumglasschotter als Dränagematerial verwendet.

Der Aufbau der intensiv begrünten Flächen auf dem Gartendeck und der Tiefgarage sieht oberhalb der wurzelfesten Dachabdichtung in Anlehnung an die Optigrün-Systemlösung „Landschaftsdach“ wie folgt aus:
• Schutz- und Speichervlies,
• zirka 8 bis 20 Zentimeter Schaumglasschotter als Dränage,
• Filtervlies Typ 105,
• bis zu 40 Zentimeter Untersubstrat Typ U,
• 30 bis 50 Zenitmeter Intensivsubstrat Typ i,
• Stauden-Gehölz-Vegetation.

Um einen solchen Aufbau zu ermöglichen, sind neben den Schnee- und Verkehrslasten zusätzliche Flächenlasten für den Gründachaufbau und Einzellasten für die Bäume anzusetzen. Für den Begrünungsaufbau sind dafür etwa bis zu 1.500 Kilogramm pro Quadratmeter und für die Bäume je nach Art und Größe noch einmal etwa 400 bis 1.500 Kilogramm pro Stück einzuplanen.

Die Baumpflanzungen waren sowohl vom Schichtaufbau als auch von der Logistik vor Ort eine Herausforderung. So kamen für die Pflanzarbeiten auf der Dachfläche Kleinbagger, Dumper und Kompaktlader zum Einsatz, deren Gewicht von etwa 1.500 Kilogramm statisch zusätzlich berücksichtig werden musste. Die Bäume wurden jeweils in eigene Pflanzgruben in Unter- und Intensivsubstrat gesetzt und durch die vorhandenen Baustahlgittermatten und drei geschlossene Polyestergewebeschlaufen gesichert.

Auf dem Gartendeck wurden fast 60 Bäume wie Feldahorn, Waldkiefer, Baum-Hasel und Kirschen in verschiedenen Sorten gesetzt. Alle Intensivbegrünungen und die Pflanzgefäße werden automatisch bewässert.
Auf den oberen Dachflächen in luftiger Höhe von etwa 30 bis 50 Meter befinden sich auf über 8.000 Quadratmeter Extensivbegrünungen in mehrschichtiger Bauweise. Aufgrund der windexponierten Lage mussten hier Vorkehrungen zur Lage- und Verwehsicherung des Begrünungsaufbaus ergriffen und nach Berechnungen der Optigrün-Anwendungstechnik vorkultivierte Vegetationsmatten verlegt werden.

Der Gründachaufbau (Optigrün-Systemlösung „Naturdach“) auf der Dachabdichtung sieht hier somit folgendermaßen aus:
• Schutz- und Speichervlies Typ RMS 500,
• Festkörperdränage Typ FKD 40,
• Filtervlies Typ 105,
• 11 Zentimeter Extensivsubstrat Typ E,
• Vegetationsmatte Sedum-Gras-Kraut.
Im Bereich der Terrassen im 9. und 13. OG wurden zudem als partielle Akzente zehn große Optigrün-Pflanzgefäße Typ Alu eingebaut: Typ Angolare mit dem Höchstmaß von 670 mal 70 mal 40 Zentimeter und Typ Rondero mit einem Durchmesser von 155 Zentimeter.

Zusammenfassung
Unweit vom Wiener Stadtzentrum entstand die neue Konzernzentrale der Erste Group für etwa 4.500 Mitarbeiter. Das Projekt wurde nach dem DGNB-System von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) mit der höchsten Stufe „DGNB Gold“ ausgezeichnet.
Von Ende Juni 2014 bis Ende Dezember 2015 wurde in 215 Arbeitstagen mit durchschnittlich vier Personen auf verschiedenen Ebenen über 14.000 Quadratmeter Dachbegrünung verwirklicht. Highlight dabei ist das Gartendeck mit einer 6.000 Quadratmeter großen begehbaren Intensivbegrünung mit Rasen und Baumpflanzungen.

von Redaktion

Erschienen in Ausgabe: Juni 2016 | Seite 32

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