von Jasch Zacharias

Straßenbauer prangern Hinhaltetaktik der Ämter an

Zahl der Ausschreibungen geht bundesweit zurück – Unternehmen beklagen verzögerte Auftragsvergabe und Stornierungen

DBU/Berlin – Deutschlands Auto- und Wirtschaftsverkehr leidet unter maroden Straßen und Brücken. Doch trotz mit Rekordsteuereinnahmen prall gefüllter Kassen vergibt die öffentliche Hand ausgerechnet im Straßenbau weniger Aufträge. Das dokumentieren Zahlen des Statistischen Bundesamts und belegt zudem eine Umfrage des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie (HDB) unter seinen Mitgliedern.

Wenn über die jahrzehntelang vernachlässigte Sanierung von Deutschlands Infrastruktur lamentiert wird, fällt immer wieder das Schlagwort Investitionsstau: Der Städte- und Gemeindebund hat ihn mit etwa 160 Milliarden Euro beziffert. In den Behörden wiehert der Amtsschimmel, heißt es. Kritisiert wird eine schwerfällige Bürokratie mit zu wenig und darüber hinaus oft fachlich überfordertem Personal. Doch statt die Lücke möglichst schnell mit dem jahrelang im Überfluss geflossenen Geld der Steuerzahler zu schließen, verzögern die Behörden als Auftraggeber die Ausschreibungen und halten die Bauunternehmen hin, um die Kosten für Großprojekte zu drücken, prangert HDB-Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel an. Das drückt die Stimmung der Bauunternehmen gewaltig.

Stimmung bei Betrieben im Straßenbau verschlechtert sich
„Die Branche kann sich leider nicht mehr von der allgemeinen Verschlechterung der Stimmung in der Gesamtwirtschaft frei machen: Die Geschäftserwartungen lassen auch am Bau nach. Mittlerweile erwarten deutlich mehr Bauunternehmen eine Eintrübung ihrer Geschäftslage als noch vor einem Jahr. Dies ist auch auf eine Zunahme an Stornierungen und die schleppende Auftragsvergabe insbesondere im Straßenbau zurückzuführen,“ kommentiert Babiel die Ende November vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten September-Daten des Bauhauptgewerbes. Der Verband hat daraufhin eine Umfrage unter seinen etwa 2000 Mitgliedersunternehmen gestartet. Die Rückmeldungen haben die von Babiel beschriebene Entwicklung bestätigt. „Eine deutliche Mehrheit der Unternehmen beklagt einen Rückgang der Ausschreibungen im Bereich des öffentlichen Straßenbaus. Und dass, obwohl doch ausreichend Mittel vorhanden sind“, sagt Babiel.

Die zögerliche Auftragsvergabe scheine nicht nur auf personelle Engpässe in den Behörden zurückzuführen zu sein, sondern auch darauf, dass Ausschreibungen bewusst zurückgehalten würden, weil auf sinkende Preise gehofft werde. „Eine solche Praxis stößt bei uns auf Unverständnis, sollte sie zutreffend sein. Denn dadurch würde dem ruinösen Preiskampf wieder Tür und Tor geöffnet, der am Ende auch der öffentlichen Hand schadet“, so Babiel.

Zahl der Auftragseingänge sank im August um 18,8 Prozent
Die vom HDB genannten Zahlen belegen, dass der Ordereingang im Straßenbau sich schlecht entwickelt: Dieser sei im September um real 5,6 Prozent zurückgegangen, nach einem Einbruch im August von 18,8 Prozent. Die Zahlen der Monate Januar bis September insgesamt berücksichtigt liegt das Auftragsvolumen insgesamt um 2,9 Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahresniveau. „Unter diesem Gesichtspunkt ist der mitunter vorgebrachte Vorwurf der Politik, die Bauunternehmen bauten nicht genügend Kapazitäten auf, geradezu zynisch. Wir fordern deshalb die Politik auf, Ausschreibungen konsequent an den Markt zu bringen, vor allem aber keine Ausschreibungen aus Preisgesichtspunkten zu verknappen und bewusst zurückzuhalten. Auch sollten natürliche Baupreissteigerungen – aufgrund von gestiegenen Baumaterialpreisen, zunehmenden gesetzlichen Vorgaben sowie gestiegenen Lohnkosten – sowohl in den Investitionsprogrammen als auch bei der konkreten Projektplanung konsequent berücksichtigt werden“, sagt Babiel.

Bundeseigene Autobahn GmbH soll Großprojekte beschleunigen

Dass auch gerade beim Fernstraßenbau Auftragsrückgänge registriert worden sind, erklären sich die vom HDB befragten Mitgliedsfirmen mit behördlicher Zurückhaltung während eines massiven administrativen Umstrukturierungsprozesses. So ist von Januar 2021 an die auf Initiative von Bundesverkehsminister Andreas Scheuer (CSU) gegründete Autobahn GmbH bundesweit für Finanzierung und Verwaltung – und damit auch für den Betrieb, Erhaltung und Auftragsvergabe – zuständig.

Die Autobahn GmbH gliedert sich deutschlandweit in zehn Niederlassungen, 41 Außenstellen, 42 Verkehrsleitzentralen und über 200 Autobahnmeistereien auf. Doch die Komplexität dieser infrastrukturpolitischen Reform ist gewaltig. Bis sich die vom Bundesverkehrsministerium angekündigte höhere Effektivität und höhere Qualität bei Ausbau und Betrieb von Autobahnen einstellt, vergehen ergo wohl noch zwei weitere Jahre, in denen Landes- und Bundesbehörden ihre Planungs- und Verwaltungskapazitäten in diesem Bereich eher noch reduzieren als dass sie den Investitionsstau bereits in diesem Zeitraum auflösen.

Inwieweit nach einer vom Bundesverkehrsministerium in einem Schreiben an die Zeitung „Die Welt“ angekündigten „anfänglichen Konsolidierungsphase“ die Ausschreibungszahlen im Fernstraßenbau wieder steigen werden, ist jedoch noch ungewiss.

Der Streit zwischen den großen Straßenbaukonzernen und den mittelständischen Betrieben um den Sinn und Nutzen von ÖPP (Öffentlich Private Partnerschaft)-Projekten wird unbenommen dessen weiterschwelen. Geht es dabei doch um die Vergabe vieler milliardenschwerer Aufträge.

 

Straßenbau: Verschärfung der Grenzwerte für Asphaltdämpfe

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plant eine drastische Verschärfung der Grenzwerte für Asphaltdämpfe von bislang 8 bis 12 Milligramm pro Kubikmeter Bitumen auf künftig nur 1,5 Milligramm. Sein erklärtes Ziel ist, die Gesundheit der Straßenbauarbeiter besser zu schützen.
Sowohl der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) als auch der Hauptverband der Deutschen Industrie (HDB) haben vor einer vorschnellen Einführung der neuen Grenzwerte Anfang 2020 gewarnt. Viele Straßenbauunternehmen würden in deren Folge nicht mehr arbeitsfähig sein und könnten durch den mit teuren Investitionen verbundenen Umrüstungsaufwand in eine wirtschaftliche Schieflage geraten.
Die Unternehmen fordern stattdessen eine Übergangsfrist von acht Jahren, um technisch aufzurüsten. Entweder um Baugeräte mit Absaugvorrichtungen auszurüsten oder um neue zu kaufen. Aktuell ringen Ministerium sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter um einen Kompromiss.

von Jasch Zacharias

Erschienen in Ausgabe: Februar 2020 | Seite03

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