von Gastautor

Bauunternehmen haften bei Falschberatung bei Altersvorsorge

Arbeitgeber müssen Verträge der Beschäftigten prüfen lassen

DBU/Berlin – Das Landesarbeitsgericht (LAG Hamm, Urteil vom 06.12.2017, Az. 4 Sa 852/17) entschied, daß der Arbeitgeber (AG) auf Schadensersatz haftet, sofern die Beratung bei Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersversorgungen (bAV) fehlerhaft war. Und zwar auch dann wenn die Beratung durch ein Kreditinstitut erfolgt war. Dies gilt analog für Versicherungsvermittler aller Art, denn diese sind ebenfalls im Pflichtenkreis des Arbeitgebers tätig, mithin dessen Erfüllungsgehilfen.

Oft bemerkten Mitarbeiter erst nach Auszahlung der bAV, dass auf diese noch Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung(GKV) zu bezahlen waren.

Mehr als 20 Millionen Verträge möglicherweise betroffen
Selbstverständlich ist nicht nur über die GKV-Beitragspflicht zu informieren (sowie die Beiträge zur Pflegeversicherung) sondern auch darüber, dass der Arbeitnehmer (AN) diese dann als Rentner ganz allein bezahlt, also nicht nur wie bis 2003 geregelt den „halben“ Beitrag. Fachanwälte und Interessenvereine haben massenhaft gegen den „vollen GKV-Beitrag auf Betriebsrenten seit 2004“ u.a. geklagt – bis zum Verfassungsgericht: Stets erfolglos weil der Falsche verklagt wurde! Die Arbeitgeberhaftung erscheint erfolgversprechender. Noch krasser ist das wirtschaftliche Ergebnis, wenn wegen Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze ohnehin (fast oder) gar kein Beitrag zur GKV angefallen wäre, wenn man auf die Entgeltumwandlung richtig informiert ganz verzichtet hätte.

Wann die Beratung für Makler und Agenten zum Verhängnis wird
Gesichert ist, dass kein Arbeitgeber seine (neuen) Mitarbeiter über die bAV ungefragt aufzuklären hat, § 1a BetrAVG. Erst wenn die Entscheidung des Mitarbeiters für insbesondere eine Entgeltumwandlung gefallen ist, beginnen begrenzte Aufklärungs- und Beratungspflichten. Wer als Arbeitgeber dies einem Versicherungsvermittler oder Bankberater überläßt ist besser beraten, wenn er den Beratungsinhalt prüfen läßt und auch zur Personalakte nimmt.

Die Betreuung durch Vermittler und Berater, aber auch Rückfragen von Arbeitnehmern bei solchen Betreuern, bedeuten eine weiterlaufende Haftung, also ein Verhindern des Ablaufes der Verjährung: Denn es kann sicher auch bei vorher abgeschlossenen Verträgen die korrekte Beratung nachgeholt werden, damit die bAV-Verträge ggf. noch beitragsfrei gestellt werden könnten.

Weitergehende Pflichten des Arbeitgebers zur Beratung
Die Vermittlerhaftung verjährt 10 Jahre nach der Falschberatung (entsprechend bei Betreuung). Diese Frist wird oft abgelaufen sein, wenn der Betriebsrentner seine bAV-Auszahlung erhält. Daher könnte Feststellungsklage durch den Arbeitgeber geboten sein. Nicht zu vergessen wären die Verminderungen der Ansprüche auf gesetzliche Renten, sowie Kranken- und Arbeitslosengeld, wohl auch Unfallrenten – durch Entgeltumwandlung. Bei der Wirtschaftlichkeit stellt sich immer wieder auch die Frage, ob gesetzliche Rente nicht rentabler ist?

Verteidigungsoptionen für Arbeitgeber?
Vermittler wie auch der Arbeitgeber könnten sich gegenüber dem Arbeitnehmer wehren, indem sie nachweisen, dass gar kein Schaden entstanden ist, und daher kein Feststellungsinteresse besteht. Dass mehr als 10 Jahre nach der Gesetzesänderung und breiter Information in den Medien darüber immer noch die meisten AN nichts davon wissen, ist eine Tatsache. Sie könnten bei nachträglicher Information die Verträge beitragsfrei stellen und sollten darauf hingewiesen werden. Wenn sie dann dennoch weiter zahlen, haftet dafür nicht mehr der AG. Zudem könnte dies als Nachweis dienen, dass die Mitarbeiter bei korrekter früherer Information ebenfalls die Entgeltumwandlung vorgenommen bzw. weiter gezahlt hätten, so dass ein eventueller Schaden nicht kausal auf die Falschberatung zurückzuführen ist. Frei nach dem Motto: Er wollte zur Risikostreuung auch Geld verbrennen. Der Verjährung vorbeugend bietet sich die Feststellungsklage an, von Arbeitnehmern gegenüber (oft ehemaligen) Arbeitgebern, sowie von Arbeitgebern gegenüber Vermittlern, Beratern, Banken, sowie Versicherern (VR).

Erster Schritt: Berater zum Anerkenntnis auffordern
Vorher aber sollten Arbeitgeber ihre bAV-Bank bzw. ihren bAV-VR bzw. Vermittler auffordern, die eigene Haftung bei Klagen von AN anzuerkennen, vielleicht unter der Voraussetzung, dass sie bei deren Abwehr mitwirken. So hatten sich mit potentieller Haftung für insgesamt mehrere Milliarden Euro branchenweit auch die VR wegen der Haftung des AG bei fehlender Wertgleichheit infolge Zillmerung gegenüber AG verpflichtet, weil AG dann für die Auffüllung auf einen wertgleichen Betrag der Leistungsansprüche zum umgewandelten Entgelt haften.

Handlungsbedarf ist an Frist gebunden
Ein vielfältiger gegenläufiger dringender „fristgebundener“ Handlungsbedarf liegt nahe, für AN gegenüber AG, Vermittler gegen AG und AG gegen alle, und zwar möglichst vor dem anderen und vor „Fristablauf“. Auf die ursprünglichen Berater darf man nicht zählen, weil diese häufig mit Verjährung ihrer Haftung rechnen, durch schlichtes Nichtstun, bis der AN bei Rentenbeginn oder Fälligkeit der Direktversicherung sich wegen Geringleistung beim AG meldet.

Widerruf von bAV-Verträgen
Wenn Arbeitgeber oder Arbeitnehmer vergleichen, welche Beträge einbezahlt wurden, und was davon aktuell nach Abzug von Abschlusskosten sowie laufenden Verwaltungskosten noch übrig ist (z. B. als Rückkaufswert oder Ablaufleistung), dann stellen sie oft eine große Abweichung von den bei Vermittlung vorgelegten Musterberechnungen fest – regelmäßig also Vermögensverluste. Davon gehen noch Steuerabzüge und Kranken-/Pflegeversicherungsbeiträge ab, was das unerwartet geringe Ergebnis nochmal um die Hälfte vermindern kann.

Auch viele bAV-Verträge in der Lebensversicherung lassen sich indes oft wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung widerrufen und rückabwickeln, eine Ewigkeit lang. Zahlreiche Arbeitnehmer sind selbst zum Widerruf berechtigt, wenn sie selbst Versicherungsnehmer geworden sind. Auch für Arbeitgeber bietet sich für Versicherungsverträge ab 1995 der Widerruf an – mit der Aussicht nach sachverständiger versicherungsmathematischer Begutachtung bis zu mehr als das Doppelte des Rückkaufswertes zu bekommen. Das ist eine Option für einen wirtschaftlichen Exit als Arbeitgeber aus der bAV-Haftung. So wird aus einer Niederlage die Chance auf einen noch höheren Gewinn für Arbeitgeber, der auch für den Arbeitnehmer noch rechtzeitig ein größeres Risiko beseitigt.

Denn sollte der Arbeitgeber insolvent werden, wird der Insolvenzverwalter Direktversicherungen und Entgeltumwandlungen gegenüber dem Vermittler möglichst widerrufen, was den Lebensversicherungsvertrag vernichtet und deren Wert der Insolvenzmasse zuführt. Damit gehen dann auch alle Begünstigungen und Verpfändungen an Arbeitnehmer ins Leere. Im schlimmsten Fall verlieren sie dadurch sogar komplett ihre betriebliche Altersversorgung.

Zu den Autoren:
Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, RB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann.

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt /M. für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung.

von Gastautor

Erschienen in Ausgabe: Seite 6| Juni 2019

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