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Bauen mit der ,Bio-Quote‘

Vier trapezförmige Mehrgeschossgebäude mit zwei Wärmedämmverbundsystemen von Inthermo

München/Ober-Ramstadt – Die bayerische Landeshauptstadt ist um vier Attraktionen und 55 Wohneinheiten reicher: In Schwabing, fußläufig zum Englischen Garten und zur Münchner Freiheit, ließ der renommierte Projektentwickler KLAUS Wohnbau nach den Entwürfen des Architekturbüros delaossa­architekten zwei vier- und zwei fünfgeschossige Wohngebäude aus Beton und Holz errichten. Der Clou: Alle Neubauten entsprechen energetisch dem anspruchsvollen KfW-40-Standard – was unter anderem dadurch erreicht wurde, dass an den Außenwänden gleich zwei Wärmedämmverbundsysteme für Schutz vor Wind und Wetter sorgen.

In München wird vieles anders als anderswo gemacht – und manches auch wirklich besser. Beispielsweise schreibt die bayerische Landeshauptstadt vor, dass ein Neubau zu mindestens 15 Prozent seiner Masse aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz bestehen muss.

„Diese ‚Bio-Quote‘ ist nicht verhandelbar – was den ökologisch motivierten Vorgaben der Stadt absehbar nicht entspricht, wird nicht genehmigt. So einfach, konsequent und wirkungsvoll kann dem Klimaschutzgedanken seitens der Bauaufsicht Geltung verschafft und Rechnung getragen werden. München ist in dieser Hinsicht ein Vorbild, an dem sich andere Großstädte orien­tieren sollten.“, sagt Bautechniker Ulrich Schmalz, der für KLAUS Wohnbau mit dem Wohngebäude-Ensemble FREISTIL von Anfang 2015 bis zur bezugsbereiten Fertigstellung 2017 als Planungskoor­dinator befasst war.

Offen für Neues
Die ausgeprägt ökologische Orientierung der Stadt München brachte den versierten Baufachmann auf die Idee, den von ihm bislang nahezu ausschließlich verwendeten Baustoff Beton um den Naturwerkstoff Holz und natürliche Holzfaserdämmstoffe zu ergänzen.

„Das Erfordernis, bei diesem Neubau in München mindestens 15 Prozent Naturbaustoffe zu verwenden, war für einen überzeugten Beton­bauer wie mich eine echte Heraus­forderung. Das Wohngebäude-Ensemble FREISTIL in der Max-Bill-Straße in München-Schwabing ist das erste Projekt, das wir mit zwei derart unterschiedlichen Hauptbaustoffen verwirklicht haben. Die erfolgreiche Umsetzung war dabei ein Muss. Das sind wir unserem Renommee schuldig.“, erläutert Ulrich Schmalz.

Aufgrund der positiven Erfahrungen, die er mit der Aufstockung in Holzrahmenbauart sowie mit dem verbauten Inthermo-Holzfaser-WDVS gemacht hat, ist er heute vom Bauen und Dämmen mit Holz ebenso überzeugt wie von Beton. „Ich hätte nie für möglich gehalten, wie weit der Holzbau schon ist. Wir werden die Erkenntnisse aus dem BV Freistil für weitere Bauprojekte nutzen und Holz in unsere Planungen künftig noch stärker einbeziehen“, sagt er.

Die Ausführung der Holzbau- und Dämmarbeiten oblag den Fachkräften von Züblin Timber, die schon bei der Entwicklung besonderer Konstruktionsdetails und der Vorfertigung von Wand-, Dach- und Sonderelementen eng mit den Technikern des WDVS-Zulieferers Inthermo zusammenarbeiteten.

Innovation wird Standard
Dass es nicht nur bei einer Ankündigung bleibt, hat KLAUS Wohnbau schon bewiesen: Beim aktuellen Neubauprojekt PRINZ auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne in München kann man ebenfalls einige äußerst attraktive Wohngebäude mit Hybridbaukörpern aus Beton und Holz bewundern; die Entwürfe stammen – wie schon beim FREISTIL – von delaossaarchitekten, werden von Züblin Timber realisiert und sollen im Rohbauzustand mit alsecco-EPS-Dämmplatten auf Beton- sowie Inthermo-Holzfaserplatten auf Holzunteruntergrund gedämmt werden.

Key-Player im Süden
Rund 200 Wohneinheiten werden von KLAUS Wohnbau jährlich errichtet. Das 1934 von Maurermeister Sebastian Klaus gegründete Unternehmen, das neben dem Hauptsitz in Augsburg auch eine Niederlassung in München unterhält, zählt im süddeutschen Raum zu den besonders qualitätsbewussten Projektentwicklern und Bauträgern.

Die Abläufe sind eingespielt, die Projektlaufzeit beträgt von der ersten Entwurfsskizze bis zur Bezugsfertigstellung in der Regel weniger als 18 Monate. Auf ansprechende Architektur und solide Qualität der Baukörper, eine innovative Technische Gebäudeausrüstung (TGA) zur angemessenen Nutzung erneuerbarer Ener­gien und eine zukunftsweisende Ausstattung der Wohnungen legt der Bauträger größten Wert, ebenso auf absolute Zuverlässigkeit und Höchstleis­tungsfähigkeit aller ausführenden und zuliefernden Betriebe.
Besonderes zieht an
Optischer Clou der Schwabinger Mehrgeschosser, deren Grundrisse an ein Trapez erinnern, sind die auf einer Breite von drei Meter im Winkel von 120 Grad gerundeten Gebäudeecken.
„Die markanten Rundungen des Baukörpers, der jeweils zu etwa vier Fünfteln aus Beton und zu einem Fünftel aus Holz besteht, werden von den montierten Fassadendämmplatten identisch abgebildet. Die abschließende Beschichtung mit mineralischem Putz muss wegen der Krümmung ein besonders hohes Maß an Sicherheit vor Rissbildung bieten“, erläutert Inthermo-Außendienstmitarbeiter Lorenz Stöpfel, der das FREISTIL von Anfang an begleitet hat und KLAUS Wohnbau ebenso wie das bauausführende Unternehmen Züblin Timber über Einsatzmöglichkeiten ökologischer Dämmprodukte aus Holzfasern, Hanf und Kork sowie bei der Wahl geeigneter Dekorputze und Anstrichmittel berät.

Backkork rund ums Fenster
Auf Empfehlung des Inthermo-Fachberaters wurden die Fensterlaibungen, -stürze und Unterfensterbänke im obersten Geschoss mit Profilen aus natürlichem Backkork ausgeführt – eine Besonderheit, die es für Holzfaser-WDVS einzig bei Inthermo gibt: Im feuchtesensiblen Bereich rund ums Fenster schützt das Naturmaterial in Verbindung mit den ausgeklügelten Inthermo-Detaillösungen zuverlässig vor dem Eindringen schlagregenbedingter Nässe in die Wandkonstruktion.

Natürlich gewachsen
Backkork wird aus der Rinde der Korkeiche gewonnen, die zuerst granuliert und dann bei 380 Grad Celsius gebacken wird. Bei dieser Hitze blähen sich die Korkteilchen auf und verkleben miteinander. Durch den Lufteinschluss entstehen größere Korkblöcke, die während des Backens deutlich an Volumen gewinnen. „In erkaltetem Zustand lassen sich die rauchig-rustikal anmutenden Rohelemente mit einem ganz normalen Fuchsschwanz präzise zuschneiden, was Bauhandwerkern das Ablängen exakt bemessener Profile auch auf dem Gerüst ermöglicht“, bestätigt Dipl.-Ing. Aldo Müller-Reinholz, Leiter des Technischen Büros bei Züblin Timber, die Verarbeitungsfreundlichkeit der Inthermo-Kork-Produkte.
Bedenken, die massenhafte Verwendung der Rinde natürlicher Korkeichen könne den Baumbestand überfordern, braucht man nicht zu haben: Nur ein sehr geringer Teil der Naturkorkernte eines Jahres wird zu Bauprodukten wie Dämmprofilen, Spritzkork oder Korkparkett verarbeitet.

Gerundete Gebäudeecken
Dass die Ausformung gerundeter Fassadendämmplatten zwecks Montage an den Gebäudeecken keineswegs alltäglich ist, zeigt ein Blick hinter die Kulissen des Baugeschehens: Im Technikum der Deutschen Amphibolin-Werke (DAW SE) und den Werkstätten von Züblin Timber wurde über Wochen an der perfekten Übertragung der Gebäudekörper-Rundung auf die Dämmplatten gearbeitet.

Was bei den EPS-Dämmplatten von alsecco vergleichsweise einfach zu leisten war, erforderte bei den sehr viel schwereren und oberflächenhärteren Holzfaserdämmplatten des Typs Inthermo HFD-Exterior Compact eine besondere Verarbeitungsmethodik.

Zimmermeister Sebastian Schmucker, der für den ökologisch orientierten Bauzulieferer Inthermo als Anwendungstechniker tätig ist, testete mehrere Verfahren, um die Biegung auf die Holzfaserplatten ohne Einschnitte in die äußere Putzträgerfläche zu übertragen.

In enger Abstimmung mit den Holztechnikern von Züblin Timber wurde schließlich ein Verfahren konkretisiert, das das hohlraumfreie Schlitzen der Dämmplattenrückseiten vorsah.
„Den Außenbogen haben wir wie folgt realisiert: In den Rücken der 100 Millimeter dicken Holzfaserdämmplatte Inthermo HFD-Exterior Compact wurden im Abstand von jeweils 30 Millimeter maximal 75 Millimeter tiefe Schlitze gesägt, ohne die Dämmplattenoberfläche zu erreichen bzw. zu durchbrechen. Dadurch ließ sich die Holzfaserplatte wie gewünscht biegen und auf einer 25 Millimeter dicken – starren, daher segmentierten – OSB-Platte montieren. Die gerundeten Fassadenelemente konnten wir auf diese Weise als bündig gedämmte Putzträgerflächen hohlraumfrei ausbilden; sie lassen sich analog zur Systemzulassung des WDVS mit einem armierten Putz beschichten“, erklärt Inthermo-Techniker Sebastian Schmucker.

Bauphysik à la carte
Soweit der Korpus jedes der vier mächtigen Gebäude aus Beton besteht, ist er fassadenseitig mit dem alsecco-System basic umdämmt. Die 240 Millimeter dicken EPS-Dämmplatten an den Außenwänden sind der Wärmeleitgruppe WLG 032 zuzurechnen und präsentieren sich mit einem Traufelputz beschichtet.
Die Farbgebung erfolgte in dezenter Tönung. Die applizierte Beschichtung im alsecco-Sortiment ist die Fassadenfarbe Alsicolor Carbon. Das Highend-Produkt wird werksseitig mit Carbonfasern optimiert, was es sehr elastisch und risssicher macht und für Anwendungen auf den gerundeten Gebäudeecken des FREISTIL geradezu prädestiniert.

Das oberste Geschoss bildet bei allen vier Freistil-Gebäuden ein aufgestocktes Penthouse in Holzrahmenbauart. Seine Außenwände ummantelt ein Inthermo-Holzfaser-WDVS mit HFD-Exterior Compact-Dämmplatten in 100 mm Stärke. Die Dämm- und Putzträgerplatten wurden mit einem Inthermo-Putzsystem zulassungskonform beschichtet und farblich auf das Gesamterscheinungsbild des Baukörper-Ensembles abgestimmt.

Die beiden am FREISTIL miteinander arrangierten WDVS von alsecco und Inthermo sind in der Dämmebene durch einen gebäude­umlaufenden Brandriegel aus Mineralwolle voneinander getrennt; die bauphysikalischen Werte stimmen dennoch überein: Der Wärmedurchgangskoeffizient der Außen­wand (U-Wert) liegt einheitlich bei nur 0,15 W/(m²K), was für Baukörper dieser Größe ausgesprochen niedrig ist und nach dem Bezug der Wohnungen einen extrem geringen Energiebedarf erwarten lässt.

Kein Komponenten-Mix
„Als Projektentwickler, Bauträger und Auftraggeber legen wir größten Wert darauf, dass beide fassadenseitig aufgebrachten Wärmedämmverbundsysteme bis ins kleinste Detail den bauaufsichtlichen Systemzulassungen ihrer Hersteller alsecco und Inthermo entsprechen. Das gilt für das fertiggestellte FREISTIL ebenso wie für das neue Projekt PRINZ auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne“, betont Projektkoordinator Ulrich Schmalz. In seiner klaren Haltung stimmt er mit beiden Systemlieferanten zu 100 Prozent überein.

Systemkonformität ist Pflicht
Die Übereinstimmung von alsecco und Inthermo in Fragen der Komponentenwahl für WDVS-Applikationen lässt sich mit der Zugehörigkeit beider Unternehmen zur international agierenden DAW SE erklären: Als einer der größten Farben- und Dämmprodukte-Hersteller in Deutschland und Europa duldet die Unternehmensgruppe grundsätzlich keinerlei Abweichungen von der bauaufsichtlichen Systemzulassung eines WDVS.
„Alle DAW-Vertriebsbereiche vertreten in Fragen der Systemkonformität dieselbe Position: Das Mischen eigener mit fremden Komponenten ist bei Wärmedämmverbundsystemen unzulässig – und daher zu unterlassen! Wer dennoch auf systemfremde Komponenten zurückgreift oder ihre Verwendung billigt, begeht einen gravierenden Verstoß gegen geltendes Baurecht, der jegliche Gewährleistungspflichten des Systemanbieters erlöschen lässt. Architekten und sachkundige Verarbeiter müssen sich darüber im Klaren sein, dass bei nachgewiesener Verwendung nicht zuge­lassener WDVS-Komponenten von den Bauaufsichtsbehörden im Extremfall sogar der Rückbau angeordnet werden kann“, erläutert Dipl.-Holzbauingenieur Stefan Berbner, Geschäftsführer des ökologisch orientierten Bauzulieferers Inthermo in Ober-Ramstadt.

Dass Verarbeiter, die die Systemzulassung nicht beachten, sich und ihren Auftraggebern einen Bärendienst erweisen, ist ihnen oftmals gar nicht bewusst. Getrieben von dem falschen Ehrgeiz, möglichst billige Komponenten einzusetzen, spielen sie mit ihrer Existenz. Denn: Kommt es wegen eines noch so nebensächlichen Mangels im Nachhinein zum Rechtsstreit, wird regelmäßig geprüft, ob es sich im konkreten Fall überhaupt um ein bauaufsichtlich zugelassenes Wärmedämmverbundsystem handelt.
Schon eine einzige Fremdkomponente, die nicht in der bauaufsichtlichen Zulassung erscheint, kann aus einem vermeintlich sicheren Fassadendämmsystem ein illegales Sammelsurium von Baumaterialien machen, das in dieser Konstellation niemals hätte verbaut werden dürfen. Entscheidet das Gericht, dass nachgebessert werden muss, hat der Handwerksbetrieb als Verursacher von Rechts wegen die Kosten der Mangelbeseitigung allein zu tragen.
Eben weil das Mischen von WDVS-Komponenten kein Kavaliersdelikt ist, sollten sich Bauhandwerker ausnahmslos nach den Angaben in der bauaufsichtlichen Zulassung des Systemanbieters richten.
KLAUS Wohnbau hat sich von Anfang an daran gehalten und die Baubeteiligten explizit zur Beachtung beider WDV-Systemzulassungen verpflichtet. „Alles hat bestens funktioniert“, resümiert Ulrich Schmalz für Wohnbau KLAUS als Auftraggeber.

Autor: Achim Zielke M.A., Baufachjournalist abp

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Erschienen in Ausgabe: April 2018 | Seite 33

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