von Redaktion
Bauen 2021: Materialengpässe bremsen Aufschwung
Beim Branchentreff von Ritchie Bros. beschreiben Experten der Bauwirtschaft eine zwiespältige Lage
Bauen 2021 – das heißt kluge Entscheidungen treffen und sinnvolle Investitionen tätigen. Dabei kann man zwischen Lieferengpässen, Auflagen und Markttrends schon mal den Überblick verlieren. Wo geht es hin für die Baubranche? Ritchie Bros. fragte nach bei Experten aus Industrie und Verbänden. Diese haben vor einem interessierten Online-Publikum Auskunft gegeben.
Die Baubranche steht am Scheideweg: Während der Investitionshochlauf da und die Nachfrage anhaltend stark ist, wirken sich Faktoren wie Materialmangel und die Rohstoffpreise eher dämpfend aus. Jürgen Küspert, Geschäftsführer des Bundesverbands der Baumaschinen-, Baugeräte- und Industriemaschinen-Firmen (bbi), blickte in seinem Eröffnungsbeitrag dennoch überwiegend positiv in die Zukunft. Flexibel agieren sei das Gebot in der aktuellen Delle im Konjunkturzyklus: Wer Maschinen nach Bedarf kauft, verkauft oder zumietet, sei betriebswirtschaftlich besser aufgestellt. Viele Mittelständler seien zudem extrem fortschrittlich und würden Themen wie Digitalisierung und Dekarbonisierung bereits aktiv angehen. „Seit 2017 haben wir in Deutschland mehr E-betriebene Flurförderfahrzeuge als Dieselmodelle, das ist keine Frage der Ideologie mehr“, zeigte sich Küspert überzeugt. Die Gesundheit der Mitarbeiter sei dabei ebenso maßgeblich wie die Nachfragen der Banken: „Wer heute größere Flotten finanzieren möchte, muss den Wiederverkaufswert im Auge behalten.“
Rohstoffpreise um bis zu 50 Prozent gestiegen
Aus der Praxis berichtete anschließend Dorian Kunert, Technischer Assistent der Geschäftsführung bei der Implenia Construction GmbH. Am Beispiel Container skizzierte er die dramatische Entwicklung der Rohstoffpreise, die um bis 50 Prozent gestiegen seien. „Diese Preise können wir so derzeit nicht an Kunden weitergeben“, stellte Kunert klar. „Langfristig kann und muss die Auslastungslage die erhöhten Preise abfedern.“ Fachkräftemangel sei ein weiteres dringliches Problem auf deutschen Baustellen, das die Realisierung der Projekte gefährde. „Der Maschinist ist auf der Baustelle nun mal entscheidend: Man braucht gute Ausrüstung, um ihn zu gewinnen und langfristig zu halten.“
Während es in der Asphaltindustrie auch an Nachwuchs mangelt, steht man dort bei anderen Themen bereits in den Startlöchern: Bei der Dekarbonisierung könnte man schon viel weiter sein, versicherte Marco Bokies vom Deutschen Asphaltverband (DAV). Mit kurzen Transportwegen, einer Recyclingquote von 90 Prozent und technischen Neuerungen wie Niedrigtemperaturasphalt könnte man in Sachen Nachhaltigkeit schon weit vorne stehen. „Wir wünschen uns jetzt politische Signale, um unsere Lösungen zu forcieren.“ Statt Kurzschlusshandlungen nach der Wahl brauche es den Dialog mit der Industrie und den Interessensverbänden, mahnte Bokies an, übte aber auch Selbstkritik: „Wir als Branche müssen uns umstellen, was das eigene Berichtswesen angeht. Beispiel CO2 Footprint – die Banken werden den nachfragen.“
Ritchie Bros. wandelt sich zur weltweit agierenden Plattform für Gebrauchtmaschinen
Matthias Ressel, Regional Sales Manager bei Ritchie Bros. Deutschland, hatte als Gastgeber das Schlusswort. Ritchie Bros. wandelt sich gerade vom weltweit größten Auktionshaus für Gebrauchtmaschinen zur weltweit agierenden E-Commerce-Plattform für Gebrauchtmaschinen. Nachdem vor zwei Jahren der Umstieg auf reine Online-Auktionen vollzogen wurde, habe man nun einen noch besseren Überblick über Markttrends, Preise und kurzfristige Schwankungen. „Das Internet schafft natürlich erst einmal sehr viel Transparenz“, lobte Ressel. „Für die Feinheiten braucht es allerdings die Expertise von Ritchie Bros.“ Dies zeige sich besonders stark bei der internationalen Vermarktung: „Vorschriften und Normen sind in Deutschland besonders hoch und die Maschinen sind entsprechend gerüstet. Beim Wiederverkauf bekommt man dies nicht unbedingt bezahlt.“
Filmemacher Søren Eiko Mielke moderierte
Mit Fachkenntnis und viel Esprit führte Moderator Søren Eiko Mielke durch den Vormittag. Der mehrfach ausgezeichnete Filmemacher ist nicht zuletzt bekannt geworden durch seinen Einsatz als „Kies Richards“ in dem Branchenfilm „1 Kilo Steine pro Stunde“ für die mineralische Rohstoff-Industrie. In der anschließenden Roundtable-Diskussion ließ er die Referenten gezielt zu den Schwerpunktthemen Digitalisierung, Dekarbonisierung und Fachkräftemangel Stellung nehmen. Gerade in Hinsicht auf die anstehenden Wahlen warnten alle Referenten vor kurzfristigen Schnellschüssen in Sachen Braunkohleausstieg. „Wir brauchen eine Dekarbonisierung mit Augenmaß“, stellte Matthias Ressel klar. Auch Dorian Kunert mahnte vor fehlgeleiteten ideologischen Diskussionen und wünschte sich mehr Technologieoffenheit: „In der jetzigen Situation sind wir gezwungen, neue Möglichkeiten zu suchen. Das ist eine Chance, um Synergien mit Marktbegleitern zu kreieren und Partnerschaften zu schließen, an die man vorher vielleicht gar nicht gedacht hat.“
„Die ökologische Diskussion ist der Schlüssel in den nächsten Jahren. Wir als Industrie haben Lösungen anzubieten und freuen uns auf den Dialog“, formulierte Marco Bokies seinen Ausblick in die Zukunft. Es war an Jürgen Küspert, den Vormittag in prägnanten und versöhnlichen Worten zusammenzufassen: „Wir haben alle das gleiche Ziel, lassen Sie uns schlau und Schritt für Schritt daran arbeiten.“
Moderator Søren Eiko Mielke in der Gesprächsrunde mit Dorian Kunert, Matthias Ressel, Jürgen Küspert und Marco Bokies (v.l.n.r.) beim Branchentreff (Foto: Ritchie Bros.)
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