Schalung - von

Komplexe Grundrisse mit System(en) schalen

Hünnebeck-Schal- und Sicherheitskonzept für Wiener Turmbauten

Ratingen – Selbst äußerst komplexe Grundrisse lassen sich durch den Einsatz von Systemschalungen ökonomisch sinnvoll realisieren. Das beweist ein Projekt in Österreichs Hauptstadt Wien, das sich unmittelbarer Nähe des Schlosses Belvedere befinden: „Park-Apartments am Belvedere“ und Hotel Andaz Am Belvedere. Schalungsspezialist Hünnebeck hat für die gigantische Hochhausbaustelle ein Schalungskonzept erarbeitet, das für hohe Wirtschaftlichkeit und große Arbeitssicherheit sorgt.

Wien ist im Umbruch; An diver­sen Stellen werden ganze Stadtteile umgebaut oder neu errichtet. Ein Beispiel ist das zentrumsnahe sogenannte „Quartier Belvedere“, das derzeit auf dem Areal des ehemaligen Südbahnhofs entsteht. Mit 25 Hektar handelt es sich um eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas, das mit seinen modernen Bauten – dazu gehört etwa der neue Hauptbahnhof – künftig das Gesicht der österreichischen Hauptstadt prägen wird.

Einer der Hingucker werden die fünf 60 Meter hohen Türme sein, die nach Plänen des renommierten italienischen Architektenbüros Renzo Piano Building Workshop gegenüber von Schloss Belvedere in die Höhe wachsen: Drei der Gebäude gehören zum Wohnprojekt „Park-Apartments am Belvedere“, das 346 Apartments umfasst.

Die beiden anderen Hochhäuser sind das zukünftige „Hotel Andaz Am Belvedere Vienna“. Ein Joint Venture zwischen dem österreichischen Immobilien-Developer SIGNA und der Hyatt Gruppe realisiert das 303-Zimmer-Hotelprojekt.

Außergewöhnliche Architektur
Wenn Renzo Piano plant, entsteht nichts Alltägliches. Er entwarf Museen und Ausstellungsräume wie das revolutionäre Centre Pompidou in Paris. Aber auch das New York Times Building, Europas höchsten Wolkenkratzer „The Shard“ oder Kreuzfahrtschiffe und Kirchen. Die spektakuläre Stelzenarchitektur der „Park-Apartments am Belvedere“ hebt die Gebäude 12 bis 18 Meter über das Straßenniveau und ermöglicht dadurch den künftigen Bewohnern den Blick über die Baumkronen der umgebenden Grünanlagen.

Auch die beiden Hoteltürme des künftigen „Hotel Andaz Am Belvedere Vienna“ warten mit architektonischen Besonderheiten auf: Die beiden Baukörper sind über verschachtelte Brücken miteinander verbunden und teilen sich im rund 10.000 Quadratmeter großen Erdgeschoss eine großzügige Lobby. Ein rund 2.200 Quadratmeter umfassender Konferenzbereich, ein 700 Quadratmeter großer Ballsaal sowie eine Skybar im 16. OG auf 60 Meter Höhe gehören zu den Highlights. Genauso lassen die drei Apartment-Hochhäuser mit ihren über 60 Wohnungstypen (2 bis 6 Zimmer) ab 46 Quadratmeter keine Wünsche offen.
Der außergewöhnlichen Architektur entsprechend anspruchsvoll gestalten sich die Rohbauarbeiten an den fünf Ortbeton-Türmen. Die jeweils 18 Etagen mussten bis zum September 2017 fertiggestellt sein – eine herausfordernde Aufgabenstellung, für die sich die bauausführende ARGE (Östu-Stettin Hoch- und Tiefbau GmbH und Habau Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H.) Hünnebeck Austria als Schalungsplaner und -lieferanten an die Seite holte. Die Schalungsexperten mit Sitz in Maria-Lanzendorf, vor den Toren Wiens, haben Material im Wert von mehreren Millionen Euro für die Großbaustelle bereitgestellt und ein Schalkonzept entwickelt, das sehr hohen Sicherheitsanforderungen entspricht. „Die Baustelle der Park-Apartments und des Hotels Andaz Am Belvedere Vienna ist nicht nur unser derzeit größtes österreichisches Projekt, auch aus technischer Sicht sind die Anforderungen hoch – nicht zuletzt wegen der variierenden, teils sehr aufwändigen Grundrissformen“, erklärt das betreuende Hünnebeck-Team.

Trotz der komplexen Aufgabenstellung kann auf Sonderschalungen verzichtet werden – sicherlich auch ein Verdienst der professionellen Schalungsplaner, die mit ihrem umfassenden technischen Know-how die Einsatzmöglichkeiten ihrer Systemschalungen souverän ausnutzen. Sie haben wirtschaftliche Schalungslösungen entwickelt, die – unter Berücksichtigung der speziellen Gebäudegeometrien – für einen schnellen und gleichzeitig unfallfreien Baufortschritt sorgen.

Auf der Wiener Großbaustelle sind alle wesentlichen Produkte aus dem Hünnebeck-Programm im Einsatz. Dazu zählen unter anderem die drei Deckenschalsysteme: der innovative Stahlrahmen-Deckenschaltisch Topmax, die leichte Alu-Modulschalung Topec und das bewährte Holzträgerschalsystem Topflex. Jedes System hat seine speziellen Produktvorteile und kommt auf der Park-Apartments-Baustelle genau dort zum Einsatz, wo es diese ausspielen kann. So wird etwa der Stahlrahmen-Deckenschaltisch Topmax als Randtisch-Variante genutzt und ist in dieser Funktion mit einem 1,50 Meter hohen Schutzschild (Vollbeplankung) ausgestattet. Diese besondere Lösung bietet dem Baustellenteam in jeder Höhe optimalen Arbeits- und Sichtschutz. Tisch und Schutzschild bilden eine Einheit und werden gemeinsam per Kran umgesetzt.

Besonders sicher gestaltet sich auch der Einsatz der Topec-Modulschalung: Sie wird kranunabhängig mit wenigen Handgriffen vom Boden aus aufgestellt und auch wieder ausgeschalt. Dabei genügen maximal zwei Personen, um die bis zu 180 Zentimeter mal 180 Zentimeter großen Tafeln zu bedienen.

Großrahmenschalung Manto: Mit einem Hub umsetzen
Die Wandflächen der fünf Türme werden mit der Großrahmenschalung Manto sowie Klappgerüsten hergestellt. Dabei sorgt das umfassende Tafelsortiment der Manto-Schalung für die gewünscht hohe Einsatzflexibilität, denn es deckt große, mittlere, aber auch kleine Grundrisse gleichermaßen ab.

Ein weiterer großer Vorzug der Manto-Schalung liegt in der Robustheit des Systems: Dank hoher Biegefestigkeit (14 Zentimeter hoher Stahlrahmen) liegt der zulässige Betondruck der Schalung bei 80 Kilonewton pro Zentimeter – selbst im aufgestockten Zustand.

Als Tafelverbinder fungiert die spezielle Manto Richtzwinge. Mit ihr lassen sich die Tafeln in nur einem Arbeitsgang fluchtend und so fest miteinander verbinden, dass ein bis zu 40 Zentimeter großer Tafelverbund ohne weitere Aussteifung in einem Kranhub umgesetzt werden kann.

Sicherheit an erster Stelle
Als Absturzsicherung an Decken­rändern, Treppen, Fahrstuhlschächten verwendet die Baustelle das universell einsetzbare Protecto-Seitenschutzsystem. Das vielseitige Baukastensystem aus Pfos­tenhalter, Pfosten und Schutzgitter (beziehungsweise Brettgeländer) ist schnell montiert und erfüllt vollständig die sicherheitstechnischen Anforderungen gemäß EN 13374 – Klasse A.

 

NACHGEHAKT

Kurzinterview mit Gerald Schönthaler, Geschäftsführer Hünnebeck Austria GmbH

Hünnebeck-Schalungssysteme sind untereinander kompatibel

DER BAUUNTERNEHMER (DBU): Bei dem Wiener Großprojekt konnte aufgrund einer komplexen Schalungsplanung durch Hünnebeck auf Sonderschalungen verzichtet werden. Welche Vorteile birgt das für das Bauunternehmen (und den Bauherrn)? In welcher Größenordnung bewegen sich diese Vorteile?
Gerald Schönthaler: Der Einsatz von Systemschalungen bringt der Baustelle meist ökonomische Vorteile. Dies liegt darin begründet, dass Sonderschalungen als Unikat konstruiert und montiert werden und daher keine Skaleneffekte möglich sind. Systemschalungen werden demgegenüber – ob als Kauf- oder als Mietprodukt – langfristig genutzt, was natürlich die Wirtschaftlichkeit erhöht. Auch können Systemelemente flexibler eingesetzt werden, so dass u.U. die Materialvorhaltung reduziert werden kann. Dies hängt jedoch jeweils von den Gegebenheiten der Baustelle ab, so dass eine Größenordnung schwer quantifizierbar ist. Bei sehr ausgefallenen Geometrien sind Sonderschalungen häufig die einzig gangbare Lösung. Aber auch hier ist es unser Anspruch, mit dem Hünnebeck-eigenen Schalungsbau pragmatische und wirtschaftliche Lösungen aus Stahl oder Holz zu konstruieren. Hierfür haben wir unsere Sonderschalungs-Aktivitäten jüngst in einem internationalen Kompetenz-Center gebündelt.

DBU: Auf der spektakulären Baustelle in Wien kommen mehrere verschiedene Schalungssysteme von Hünnebeck zeitgleich zum Einsatz. Wie wird die Kombinierbarkeit der Systeme sichergestellt? Ist die kombinierte Verwendung verschiedener Systeme mit besonderen Arbeitsabläufen verbunden?
Gerald Schönthaler: Die Hünnebeck-Schalungssysteme werden grundsätzlich so entwickelt, dass sie untereinander kompatibel sind. So lassen sich beispielsweise alle Deckenschalungen mit Hilfe von Systemteilen miteinander kombinieren - vom Stahlrahmen-Deckenschaltisch Topmax über das trägerlose Topec System bis hin zur Holzträgerschalung Topflex. Bei der Entwicklung von Topmax wurde auch von Anfang an darüber nachgedacht, wie sich Ausgleiche und Passflächen einfach und schnell mit Systemteilen schalen lassen. Als Konsequenz wurde das Rahmenprofil so gewählt, dass es mit dem Profil des Rasto Wandschalungssystems übereinstimmt. So können Rasto Panele in der Decke für die Herstellung aus Ausgleichen verwendet werden. Verbunden werden sie mit der Standard Rasto Zwinge. Da viele Anwender das System schon aus der Wand kennen, ist die Bedienung in der Regel intuitiv möglich und erfordert keine besonderen Arbeitsabläufe.

DBU: Sicherlich gibt es auch in Deutschland namhafte Hünnebeck-Projekte, die aufgrund ihrer Grundrisse ähnlich aufwendige Schalungslösungen benötigten wie das vorgestellte Bauprojekt in Wien. Könnten Sie bitte kurz zwei oder drei dieser Projekte nennen?
Gerald Schönthaler: Ein Beispiel hierfür ist der neue Komplex der Rhönklinikum AG in Bad Neustadt an der Saale. Hier hat unsere Projektentwicklung ein Konzept erarbeitet, bei dem Systemschalungen eine Sonderanwendung ermöglichten. Die Aufgabe lautete, eine möglichst wirtschaftliche Lösung für die Herstellung der Lochfassade aus sich wiederholenden Wandstücken und Fensteröffnungen zu finden. Unsere Lösung: eine spezielle Schalungsbatterie aus Elementen der Manto-Großrahmenschalung. Sie wurde so konstruiert, dass stets ein möglichst großer Abschnitt in einem einzigen Takt gestellt und umgesetzt werden konnte.
Ein zweites Beispiel: Bei der Herstellung der geneigten, mehr als 9 Meter hohen Dachflächen der Bavaria Towers in München werden Topmax Deckenschaltische in Kombination mit Stützentürmen aus dem Gass Programm eingesetzt. Hierfür hat unser internationales Entwicklerteam einen Sonderkopf entwickelt, der die Topmax Tische in der gewünschten Schräglage mit den Gass Türmen verbindet. Alles andere sind Systemelemente.

Die Fragen stellte DBU-Redakteur Heiko Metzger 

 

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Erschienen in Ausgabe: Februar 2018 | Seite 30

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